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Abgezockt

Abgezockt

Titel: Abgezockt
Autoren: Simon Wood
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Rettungsdienst. Hoffentlich wären sie da, ehe der Wagen ganz unterging. Alles würde gut werden.
    Der Mann steckte das Handy weg und tat etwas Merkwürdiges. Er streckte den rechten Arm aus und hielt seinen Daumen hoch wie ein Anhalter. Dann drehte er ihn langsam, bis der Daumen nach unten zeigte. So hatte ein römischer Kaiser einen Gladiator zum Tode verurteilt.
    Mit offenem Mund starrte Josh den Fremden an. Er konnte es nicht fassen.
Was macht dieser Typ da? Will er, dass ich sterbe?
Er war nie auf die Idee gekommen, das Ganze könne in böser Absicht geschehen sein. Er hatte es für einen Unfall gehalten, nichts weiter, eine Folge hirnloser Raserei. Die Geste war bizarr. Sie ergab keinen Sinn. Der einzige Mensch, der ihm helfen konnte, wollte es nicht. Die Hände ans Fenster gepresst, murmelte Josh: »Hilfe.«
    Der Raser ließ seinen Arm sinken, stieg in das Fahrzeug und brauste mit Vollgas von der Brücke.
    Ein Schock fuhr Josh durch die Glieder und brachte ihn in Bewegung. Er analysierte blitzartig seine Situation. Wasser wirbelte ihm um die Knöchel. Er sah in die trüben Tiefen des Flusses wie ein U-Boot-Fahrer. Selbst jetzt, da die Windschutzscheibe größtenteils bereits unter Wasser war, zeigte sich der Grund nicht. Aufgewühlter Schlamm behinderte die Sicht. Treibgut, von derselben Strömung getragen, die auch Joshs Wagen mitnahm, glitt vorbei.
    Er brauchte sein Handy. Warum war ihm das nicht gleich eingefallen? Er öffnete den Gurt, um danach zu suchen, und fand es eingeklemmt zwischen Windschutzscheibe und Armaturenbrett. Das LCD -Display hatte einen Sprung, aber insgesamt schien es funktionstüchtig zu sein. Er schaltete es ein, aber das Handy reagierte nicht. Die Erschütterung beim Aufprall hatte es zerstört. Fluchend warf Josh das Handy in den Fußraum, wo das Wasser rapide anstieg.
    Der Wagen sank weiter. Die Windschutzscheibe war schon vollständig unter Wasser, der Fahrersitz zu drei Vierteln. Die Wellen schlugen Josh an die Knie.
    Er konnte nur eines tun: um sein Leben schwimmen und hoffen, dass alles gutging. Die Technik beherrschte er ja. Es haperte nur am nötigen Selbstvertrauen.
    »Ich kann das, stimmt’s?«, sagte er zu sich selbst. Er zog am Türgriff, ehe er Gelegenheit zum Widerspruch hatte, doch die Kraft des Wassers und das verbogene Metall hielten die Tür verschlossen. Er probierte sein Glück auf der Beifahrerseite, aber mit dem gleichen Ergebnis. Dann betätigte er die elektrischen Fensterheber, doch die Elektrik hatte den Geist aufgegeben.
    Vorn im Wagen waren ihm die Fluchtwege versperrt, aber es gab ja noch die hinteren Türen. Er kletterte auf die Rückbank, wobei jede seiner ungelenken Bewegungen den Wagen schwanken und kippen ließ. Mit verzweifelten Tritten und Faustschlägen versuchte Josh die hinteren Türen zu öffnen, doch sie klemmten genauso wie die vorderen. Die Fenster waren seine letzte Rettung. Beim Kauf des Wagens hatte er sich elektrische Fensterheber nicht überall leisten können und damals deswegen geflucht. Jetzt pries er sein Glück.
    Er stemmte sich auf die Kurbel. Der Mechanismus kämpfte gegen die verbogene Tür an. Josh sah in das schmutziggrüne Wasser hinter der Scheibe. Treibgut kratzte am Glas. Die Aussicht gefiel ihm gar nicht – dass der Fluss und all der Müll zu ihm in den Wagen kamen –, aber ihm blieb keine Wahl. Er stemmte sich auf die Kurbel und fühlte, wie der Mechanismus unter dem Gewicht nachgab.
    Langsam versank die Scheibe in der Tür, und Josh nahm frische Luft wahr. Er atmete den angenehm erdigen Geruch tief ein, kurbelte die Scheibe weiter herunter, und das Wasser brach über die Fensterkante in den Wagen herein.
    Gott, ist das kalt!,
dachte Josh, während ihm die eisige Flut die Luft raubte. Der Kampf gegen die überwältigende Kälte des Flusses zwang ihn, in kurzen, hastigen Zügen zu atmen. Das hereinströmende Wasser drückte den Wagen noch schneller nach unten, so dass Josh das Gefühl bekam, orientierungslos zu fallen.
    Er hatte das Fenster geöffnet, aber nicht weit genug, um seinen athletischen, ein Meter achtundsiebzig großen Körper hindurchquetschen zu können. Er zwängte es weiter auf, während ihm das Wasser bis zur Brust stieg. Im Bewusstsein, dass sein Kopf jeden Augenblick untertauchen würde, pumpte er seine Lungen mit Luft voll und nahm zwei tiefe Atemzüge.
    Einen Moment – einen langen Moment – zögerte er noch. Sein Körper sträubte sich; seinen Kopf dicht am Verdeck des sinkenden Fahrzeugs, sog
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