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Abgehakt

Abgehakt

Titel: Abgehakt
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Stunden.«
    »Danke, Doktor! Wir sehen uns!«
    »Ganz sicher!«
    Martin blickte dem Rechtsmediziner hinterher und war froh, dass er der leichenschauende Arzt in diesem Fall war. Er hielt Jochen Stieber für den Kompetentesten seines Fachs, der oftmals »hellseherische Fähigkeiten« an den Tag legte, wie Martin es nannte. Er machte den Job schon ziemlich lange. Martin schätzte ihn auf etwas über fünfzig. Und er fragte sich, wie ein Mensch diese Arbeit nur so lange aushalten konnte. Er konnte nur vermuten, dass Stieber ähnliche Abwehrmechanismen entwickelt hatte wie er selbst, denn auch er machte seinen Job nun schon seit über zwanzig Jahren. Man tat so, als würde es einem nichts ausmachen. Man versuchte sich abzulenken, indem man das Schreckliche mit Humor herunterspielte. Manchmal kam es Martin so vor, als wäre es langsam an der Zeit aufzuhören. Hatte er nicht genug Leichen gesehen, genug Mörder hinter Gitter gebracht? Er zog die Folie wieder über den leblosen Körper und dachte an die Angehörigen der Frau. Dass er ihnen die Todesnachricht überbringen musste, daran hatte er sich längst gewöhnt. Aber daran, dass er einen Mörder für sein Verbrechen möglicherweise nicht zur Rechenschaft ziehen konnte, daran würde er sich wohl nie gewöhnen. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum er den Job immer noch machte.
    Paul kam ihm entgegen. »In dem Haus gibt es insgesamt zehn Mietwohnungen. In sieben davon waren die Leute zu Hause. Allerdings haben die meisten von ihnen schon geschlafen und nichts mitbekommen. Nur ein älterer Herr, der direkt neben unserem Opfer wohnt, hat das Läuten an Frau Janz’ Tür und mehrfach Schritte im Treppenhaus gehört. Aber das ist auch schon alles.«
    »Was ist mit denen, die nicht zu Hause sind?«
    »Ein Mann hat Nachtschicht, eine andere Mieterin ist übers Wochenende weggefahren und wo sich das Pärchen aus dem ersten Stock zur Zeit aufhält, weiß niemand. Wir haben die Personalien von allen aufgenommen und sie für morgen ins Präsidium bestellt, soweit es möglich war. Im Moment sieht es so aus, als hätte niemand etwas gesehen, was uns weiterhilft.«
    »Die Tote ist mutmaßlich Opfer eines Serienmörders. Erinnerst du dich an die Fälle Schnitzler und Benning? Beide Frauen hatten das gleiche Zeichen auf der Brust. Beim ersten Mord war es noch mit Blut aufgemalt, beim zweiten mit dem Messer eingeritzt. Den Schnitt hat auch unser neues Opfer hier.«
    »Heilige Scheiße!«, entfuhr es Paul. Auch er konnte sich gut an die Fälle erinnern. Schließlich waren es die ersten, an denen er in der Mordkommission mitgearbeitet hatte. Zwei hübsche junge Frauen, ging es ihm durch den Kopf. Von ihrem Mörder keine Spur. Sie waren beide in ihren Wohnungen überfallen und ermordet worden. Veronika Schnitzler, die erste Tote dieser Serie, wurde mit dem Telefonkabel erdrosselt. Silke Benning, das zweite Opfer, fand man mit durchschnittener Kehle. Dieser Anblick hatte den fünfundzwanzigjährigen Paul so mitgenommen, dass er sich anschließend gefragt hatte, ob Kriminalist bei der Mordkommission tatsächlich die richtige Berufswahl gewesen war. Aber er war ein engagierter Polizeibeamter, der die furchtbaren Bilder und Gerüche verdrängte, indem er sich in die Arbeit kniete. Bei den Kollegen war er gern gesehen, denn er war sich für nichts zu schade. Martin Sandor war sein großes Vorbild, und er war stolz darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er bewunderte die Akribie und Leidenschaft des Kommissars und versuchte, so viel wie möglich von ihm zu lernen.
    Paul fragte sich, ob sie auch in diesem Fall wieder im Dunkeln tappen würden, und hoffte, dass es nun endlich eine Spur geben würde.
     
    Doch die Befragung der Mitbewohner am nächsten Morgen ergab so gut wie nichts. Die Erste, die erschien, war Britta Kling. Die Mittvierzigerin erschien recht aufgetakelt im blauen Kostüm und genoss offensichtlich die Aufmerksamkeit, die ihr zumindest für die Dauer der Befragung zuteil wurde.
    »Sie haben also Frau Janz im Hof gefunden?«, begann Martin.
    »Habe ich. Und jetzt wollen Sie sicher wissen, wann das war?«
    »Sie denken mit, Frau Kling. Also wann?«
    »Exakt um drei Uhr dreißig.«
    »Wie kommt es, dass Sie die Zeit so genau wissen?«
    »Herr Kommissar, Sie werden lachen, aber die Frage habe ich erwartet.« Sie verzog die knallroten Lippen zu einem selbstbewussten Lächeln.
    »Dann haben Sie sicher auch schon eine Antwort parat?«
    »Natürlich. Ich habe mir „Dieter Nuhr live!“
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