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Abaton

Abaton

Titel: Abaton
Autoren: C Jeltsch
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feindliche Bomben halten, die aus dem Himmel fielen. Sie ahnten nicht, dass es der Feind aus ihrer Mitte war.
    Bernikoff riss die Druckwelle aus dem nahen Tunnel zu Boden, weg von dem letzten Gemälde, das er gerade fertigstellen wollte. Er rappelte sich wieder auf. Und entdeckte, dass seine Wunde wieder aufgebrochen war. Er blutete. Noch sirrte und summte es in seinen Ohren von dem Knall, da näherte sich ein seltsames Rauschen. Bernikoff erkannte es nicht sofort, obwohl er meinte, es schon oft gehört zu haben. Aber er brachte es nicht mit dem Tunnel und der Dunkelheit in Verbindung.
    Wenige Sekunden später war es da. Das Wasser. Wie eine Wand schoss es auf Bernikoff zu. Er hatte keine Chance. Das Dynamit hatte ein Loch in die Decke des Nord-Süd-Tunnels gesprengt und aus dem Landwehrkanal ergossen sich Hunderttausende Liter kalten Wassers. Spülten alles fort. Bernikoff. Seine Schmerzen, seine Farben, seine Bilder, seine rettende Botschaft ...
    Auf immer?
    Das kleine Mädchen mit den metallenen Schienen an den Beinen weinte in den Armen seines Vaters. Es hatte Angst. Angst vor den Fliegern und vor ihren Bomben, vor dem Feuer. Und vor den Kellern, in denen die Menschen darauf warteten, dass das »Tausendjährige Reich« endlich untergehen würde.
    „Schschsch ...“, beruhigte der Vater die Kleine und sein Blick verharrte auf den vielen bunten Zirkusplakaten an den Wänden des Zimmers.
    „Bald wird alles gut“, sagte er. „Das versprech ich dir. Es wird alles gut.“ Dann sang er das Lied vom spannenlangen Hansel und der nudeldicken Deern.

TEIL [01]
    [ 1101 ]
    Jetzt waren sie da.
    Und sie kamen näher.
    Wollten Edda und Simon noch entkommen, mussten sie da hinunter. Sofort. In das Dunkel. Das Feuchte. Das Ungewisse. Sie hatten keine Wahl. Es gab keinen anderen Ausweg. Sie durften jetzt nicht mehr überlegen. Sie mussten handeln. Zu nah waren die Fremden schon. Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen kreisten sie ein, wischten durch die Nacht wie lechzende Zungen auf der Suche nach einem sättigenden Fraß. Zungen von gefährlichen Monstern, dachte Simon. Sieben Monster zählte er. Ein Blick und er hatte alle Feinde im Visier. Die vielen Ego-Shooter-Spiele, die er verbotenerweise am Computer gespielt hatte, kamen ihm dabei zugute. Aber das hier war anders. Hier stand kein heißer Kakao neben dem Monitor, hier hatte er keinen Controller, mit dem er seine Feinde einen nach dem anderen erledigen konnte. Mit dem er sein zweites, sein drittes, viertes Leben aktivieren konnte. Jetzt gab es nur ein Leben. Und das war echt. Die Feinde waren echt. Das Mädchen neben ihm war echt. Und es hatte Angst, so wie er. Das spürte Simon. Sekunden nur noch. Dann waren die Verfolger da. Sekunden, die er nicht mehr anhand seiner Herzschläge mitzählen konnte. Sein Herz pochte längst nicht mehr im sonst so gelassenen Sekundentakt.
    Sieben waren es. Sieben – wie in den Märchen. Und sie kamen von allen Seiten. Geschickt zogen sie den Kreis immer enger. So wie es Raubkatzen tun, wenn sie im Rudel jagen. Simon erinnerte sich an den Biologieunterricht. An den Film über die Jäger der Savanne. Wie sehr sehnte er sich jetzt danach, in diesem langweiligen Unterricht zu sitzen und zuzuschauen, wie andere gejagt wurden.
    „Vielleicht sind es gar keine Verfolger“, flüsterte Edda. Verzweifelte Hoffnung klang aus ihrer Stimme. „Vielleicht gehören die Männer einfach nur zu dem Spiel. Zu der Aufgabe, die sie uns gestellt haben.“
    Oder war man womöglich nur auf der Suche nach ihnen? Aus Sorge um sie? Sie waren es schließlich, die die Regeln gebrochen hatten. Sie waren ausgeschert aus dem, was sie hätten tun sollen. Edda und Simon waren nicht dem Weg gefolgt, den alle gegangen waren. Sie waren mit Linus hierhergekommen. An diesen Ort, an dem es als Fluchtpunkt nun einzig diesen engen Schlund in die Unterwelt gab. Das tiefe Loch eines Gullys. Vielleicht würde sich alles aufklären, wenn sie sich zu erkennen gäben? Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das eine trügerische Hoffnung war. Niemand hatte nach ihnen gerufen – so wie es besorgte, suchende Menschen tun würden. Und Edda war klar, dass nur die Angst ihr diese Hoffnung eingeflüstert haben konnte.
    Jetzt waren die ersten Verfolger so nah, dass man sie hören konnte. Nicht ihre Schritte. Nicht ihr Atmen. Kein Flüstern. Nein. Das waren Profis. Lediglich das Aufflattern von ein paar aus dem Schlaf geschreckter Vögel konnten die Männer nicht verhindern. Oder wollten
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