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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett!
Autoren: David Baddiel
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meinem Wagen, das sich Scheibenwischer nennt    »Nein«, sagt Nick und holt seinen Eimer und Schwamm unter der Spüle hervor.
    »Und auch noch keiner: >Wissen Sie - wenn’s dunkel wird, brauch ich auch niemand, der sich auf die Motorhaube legt und mir mit der Taschenlampe leuchtet    Er baut sich vor mir auf. »Sie liegt wohl noch im Bett, wie?«
    »Jaah. Ich hab ihr gesagt, ich mach schon mal das Frühstück.«
    »Mann. Klingt ja wirklich ernst. Alice wird außer sich sein.«
    Zehn Minuten später, als Nicks Schritte auf der Treppe verhallen, kippe ich zwei Eier, zwei Würstchen, eine magere Scheibe Bacon und drei kurz gegrillte Tomaten in den Mülleimer. Ich hätte es selber essen können, aber ich bin gerade dabei, mich von der Sorte Essen zu entwöhnen. Es ist immer dasselbe: Die ersten sechs Bissen sind der Himmel, das Paradies im Mund, aber dann stimmt alles plötzlich nicht mehr, und beim zweiten Würstchen habe ich Kopfschmerzen. Das Ende vom Lied ist unweigerlich, daß ich mich übergeben will, und das Ganze beschert mir dann für den Rest des Tags eine tiefe Depression. Fettlöffel-Kater. Am nächsten Morgen habe ich wieder Appetit auf das gleiche. Für die ersten sechs Bissen lohnt es sich.
    Der Mülleimer mit dem Schwingaufsatz will nicht aufschwingen, weil er überfüllt ist, also nehme ich den Aufsatz ab, aber dann - PHHUUHAAA — die Hölle schleudert mir ihren Gestank entgegen. Ich sollte ihn ausleeren; statt dessen befördere ich den Hügel auf meinem Teller in einem heiklen Balanceakt auf den blaugrünen pelzigen Berg, der einst selbst einmal Essen war, aber Gottweißwasfürein Essen, einige Segmente sind allerdings eindeutig Abkömmlinge von Eierteig. Sogar an der Schwelle zum Tod sieht eins der Würstchen einfach zu appetitlich aus, so braun und knusprig und so leicht zu haben; also wische ich ein paar daran klebende Essensreste ab und verputze es, aber die Verdrängung der Tatsache, daß es gerade im Mülleimer war, kostet mich ein Ausmaß an geistiger Kraft, das mich um den verdienten Genuß bringt.
    Wie spät es ist? Ich gucke zur Mikrowelle. 6.20. Nein, das kann nicht stimmen. Dann fällt mir wieder ein, was los ist. Vor einer Weile merkte ich plötzlich, daß es mittags um eins draußen dunkel war und abends um elf immer noch hell. Zuerst dachte ich nur, das müsse ein Nebeneffekt der am äußeren Rand rissig gewordenen Ozonschicht sein, und stellte mich schon darauf ein, mich auf der Arche Noah einzuschiffen, um für den Augenblick gewappnet zu sein, wenn der Himmel endgültig einstürzt. Da fiel mir auf, daß es die Zeit selbst war, die einen Sprung hatte oder vielmehr einen machte, daß es zum Beispiel in einer Sekunde 4.20 war und in der nächsten 8.20. Ich dachte, jetzt ist es soweit, das Raum-Zeit-Kontinuum ist zusammengebrochen, jetzt schlittern wir an der Ewigkeit entlang, und jede Sekunde kann Stephen Hawking durch mein Dach krachen. Irgendwann bemerkte ich dann, daß bei jedem Zeitsprung Fühlhörner aus der Uhr zuckten. An dem Punkt wurde mir klar, daß eine Fliege in meiner Mikrowellenuhr wohnt.
    Ich weiß nicht, wie so was passieren kann: eine Fliege haust in meinem Mikrowellenwecker. Lästig ist ja nicht nur, daß ich meine Tage jetzt danach planen muß, wann es der Fliege einfällt, ihren täglichen Verdauungsspaziergang zu machen. Es ist mehr die Sorge, daß ich eines Tages eine Fleischpastete hineinstelle, nach fünf Minuten die Tür aufmache, und ein riesiger mutierter Fleischpasteten-Brummer, ein dickes, fettes Teigstück mit grün schillernden Flügeln und tausend Augen herausstürzt, das meine Katze erst vollkommen zukotzt und sie dann verschlingt. Im Gegensatz zu mir, das spüre ich genau, ist die Fliege hochzufrieden. Kommt sich wahrscheinlich vor, als hätte sie ein Apartment am Piccadilly Circus ergattert.
    Ausgeschlossen, mein Leben wieder in Gang zu bringen, solange ich ich nicht weiß, wieviel Uhr es ist. Also gehe ich ins Wohnzimmer, lege ein schnelles Glissando auf meinem ramponierten alten Klavier hin, setze mich aufs Sofa und blicke mich um: Unsere Wohnung liegt im zweiten Stock eines viktorianischen Hauses in Kilburn; der beige Bodenbelag ist mit alten Motorsport- Ausgaben und Gelben Seiten übersät, die für irgendwelche, Monate zurückliegende Anrufe herausgerissen wurden. So recht kann man es sich nicht mehr vorstellen, wie auf diesem Boden einst Herren mit Vatermörder ihre Ansichten über Premierminister Palmerston austauschten. Die einzigen beiden
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