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~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

Titel: ~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Autoren: Dennis Welz
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nächsten Stadt nur noch sechs Kilometer wären, sind diese für mich doch unmöglich. Eine Gruppe nimmt ein Taxi. „Willst du mit?“ werde ich gefragt, doch ich winke ab. Irgendwo zwischen meinen herumtollenden Gedanken, die sich um meine Beine und Füße drehen, versuche ich das nötige Gottvertrauen zu finden, um mir nicht zu viele Sorgen zu machen.
    So sitze ich einfach auf einer kleinen Mauer, möglichst windgeschützt nah an der Kirche, auf meine Isomatte gelehnt und mit meinem Notizbuch auf meinen Beinen. Ich warte ab und schreibe. Dabei verfluche ich das Herbergensystem. Wer zuerst ankommt, kriegt noch ein Bett. Die Letzten, die vielleicht Probleme beim Laufen haben, mit etwas Pech, dann keines mehr. Ein seltsames System. Heute hasse ich es. Irgendwo hin muss die ganze Wut, die ganze Aggressivität.
    Plötzlich Aufbruch. Es spricht sich herum, dass eine Notunterkunft in einer Turnhalle geöffnet wurde. Ich schleiche der Menge hinterher. Viele rennen regelrecht. Wohl aus Angst, dass auch dort bald Überfüllung herrschen könnte. Sie ist unbegründet. Es gibt zwar nur Sportmatratzen, sehr weich und unbequem, aber es ist ein Dach über dem Kopf. Und über das sind wir alle glücklich.
    In dieser Zeltlageratmosphäre beobachte ich amüsiert die ersten Annäherungsversuche zwischen den Geschlechtern. Kurt und Rosemarie sind unglaublich süß zusammen und obwohl er wohl recht schüchtern ist, vermute ich doch die beiden künftig häufiger zusammen zu sehen. Er massiert sie. Sie leidet, erträgt es aber mit Fassung, dass er zu grob ist, ich unterhalte mich mit beiden.
    Obwohl ich unglaublich kitzelig bin kann ich die beiden Fliegen nicht spüren, die auf meinen Füßen fangen spielen. Sie sind wohl taub geworden.
     
    Mitten in der Nacht wache ich auf. Irgendetwas hat mich geweckt. Wo bin ich? Ich höre ein Rascheln, dann spüre ich die viel zu weiche Matte unter mir, dann der Geruch … jetzt ist es wieder klar. Ein Herzschlag, dann noch einer, als der dritte Herzschlag ansetzt weiß ich wovon ich aufgewacht bin. Plötzlich ist es taghell und mein Herz stolpert vor Schreck. Bevor es zurück in seinem Rhythmus ist rollt auch schon der Donner durch die Halle und lauter Regen knallt hinab auf das flache Dach. Ich versuche mich in meinem Schlafsack zu verstecken. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Angst vor einem Gewitter. Die Anstrengung vom Tag, die dunkle große Halle, Blitz und Donner, alles kommt zusammen, alles ist in mir. Der nächste Donner rollt heran, beinahe im Sekundentakt zucken die Blitze in den Himmel hinein. Die Zeit scheint wie im Honigglas gefangen und ich wünsche mir doch nichts anderes, als dass sie schneller vergeht, damit die Wolken und mit ihnen das Tosen endlich wieder verschwinden. Als das Gewitter gerade vorübergezogen ist wird mir klar, dass ich immer noch direkt an den Bergen bin. Das Gewitter kann nicht hinüber. Kurz darauf ist es schon wieder über mir.
    Ich will nur noch weg, nur noch nach Hause. So schnell bin ich bereit aufzugeben. Ich bin den Tränen nahe, wer weiß schon warum. Schlicht überwältigt. Dann fängt das Dach an zu lecken, dort wo ich liege. Mit einem eiskalten Klatschen landet ein großer Tropfen Wasser in meinem Gesicht. Jetzt bin ich wach, bewege irgendwie die Matratze in eine trockene Stellung. Woher ich die Kraft nehme weiß ich nicht mehr. Ich döse ein. Das Gewitter kommt wieder. So geht es hin und her. Ob zwei, drei oder vier Mal – ich weiß es nicht mehr. Ich ziehe mit meiner Matratze um, döse ein, wache wieder auf. Dazwischen helfe ich auch Rosmarie ihre Matratze zu verschieben. Irgendwann ist Stille. Mir wird ein wenig traumlose Ruhe gewährt.

22.08.08 17km nach Trinidad de Arre - Ein Deo das verloren ging, ein Mann mit Ausstrahlung und ich
    „Welches Gewitter denn?!“ Alex beißt in sein Baguette. Er hat nichts mitbekommen. Ich starre ihn ungläubig an. „Das ist nicht dein Ernst?!“ frage ich ihn, doch er zuckt nur mit den Schultern. Neid wäre das falsche Wort. Ich habe keine Worte als ich aufbreche. Meine Entscheidung bleibt. Nach Hause geht es nur über Santiago.
    Endlich haben meine Füße sich ein wenig an das Laufen gewöhnt. Es ist ironisch, jetzt bekomme ich Beschwerden im rechten Knie. Ein kleiner Hügel macht mir schon sehr zu schaffen, obwohl es nicht steil nach oben geht.
     
    Über verwachsene Waldwege, die ich sehr genieße, und Asphaltstraßen, die ich nicht mag, geht es über den Camino (Kakobsweg) nach Trinidad de Arre. Der
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