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~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

Titel: ~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Autoren: Dennis Welz
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Morgen will ich sehr früh aufbrechen und ich habe noch keinen Wanderstab. Ohne will ich nicht los. So hetze ich in das erste Geschäft das ich finden kann, hinein. Gott sei Dank, es gibt tatsächlich Pilgerstäbe. Ich greife den erstbesten der mir gefällt, denn in fünf Minuten schließt der Laden schon. Eine schnelle Wahl, eine spontane, ich glaube es ist eine gute. Raus aus dem Laden. Dann weiter. Jetzt schon rastlos. Jetzt noch unter Zeitdruck.
     
    Die Pyrenäen liegen direkt vor der Tür. Mächtig und unbeugsam wirken sie, doch sind sie nun die Herausforderung der ich mich stellen werde. Jean-Piere, der Hospitalero, Herbergsvater, bereitet uns gut darauf vor. Er ist ruhig und verständnisvoll, man fühlt sich willkommen. Leider verstehe ich kaum ein Wort. Sein Englisch ist sehr gebrochen. Französisch spreche ich nicht. Das Haus ist gemütlich. Dielenboden, wie daheim, Stockbetten wie in einer guten Jugendherberge, es riecht nach Holz und altem Rauch. Ich fühle mich wohl und erschöpft. Alle Pläne habe ich heute erfüllt, ich bin immer noch kontrollierend, weiß immer noch was ich tun möchte, bin noch vollkommen das alte, mir so bekannte Ich. Abends holt Jean-Piere eine große weiße Plastikwanne aus einer Nische hervor. Sie ist gefüllt mit Jakobsmuscheln, ein Geschenk für all jene die bei ihm nächtigen.
    Langsam wird es Abend. Eigentlich ist es noch viel zu früh zu schlafen, die Betten der Herberge sind zum großen Teil noch leer. Alles liegt noch im Nebel, der Himmel ist noch wolkenverhangen, in der Nacht regnet es. Düstere Vorzeichen und die Hoffnung, dass alles anders werden wird.

20.08.08 24km nach Roncesvalles - Der Tag der verlorenen Socke.
    Verschlafen sitze ich am Küchentisch. Der Rucksack neben mir auf dem Boden. Fremde Blicke treffen mich, ich erwidere nur ein Lächeln. Es wird nicht viel geredet, alle hängen ihren eigenen Gedanken nach. Eine typische Jugendherbergsatmosphäre kommt auf, als wir Butter, Marmelade, Baguettes herumgeben, dann schweigend essen. Einer nach dem anderen geht, dann auch ich.
    Es blitzt einmal kurz und Jean-Piere lacht. Dann drückt er mir meine Kamera in die eine Hand und schüttelt die andere. Er hat darauf bestanden ein Foto von mir vor der Herberge zu machen. Ich schaue es mir im kleinen Display an. Ich sehe müde aus. So fühle ich mich auch. Obwohl ich gut geschlafen habe. Zum zweiten Mal heute Morgen lasse ich mir den Weg zum Bäcker erklären, der schon sehr früh geöffnet hat. Ich kaufe eine Stange Baguette und etwas Wurst. Wegzehrung.
     
    Ich kann kaum atmen, ringe mit mir selbst. Erst wenige hundert Meter weit bin ich gekommen. Der Rucksack ist zu schwer, die Füße sind müde. Ich kenne diese Anstrengung nicht. Ich sehe zu wie ein Pilger nach dem anderen im lockeren Wanderschritt an mir vorüberzieht, scheinbar ohne jedes Gewicht auf dem Rücken, mit einer Leichtigkeit die ich nur bewundern kann. Noch einmal richte ich den Rucksack, versuche die Gurte so einzustellen, dass das Gewicht anders verteilt wird und gehe dann langsamer als zuvor weiter, nach dem Motto: Langsam kommt man schneller ans Ziel. Die Landschaft ist wundervoll. Ich habe Selbstzweifel. So schnell außer Atem zu sein ist mir peinlich. Nicht vor den anderen, sondern hauptsächlich vor mir selbst. Ich hatte so viel mehr von mir erwartet.
    Irgendwie komme ich doch höher und bald bekomme ich unerwartete Hilfe. Ich lerne Rosemarie kennen. Ein fröhliches Wesen, mit einer scheinbar unermüdlichen Quelle an positiver Energie treibt sie mich weiter.
    „Hey, ich glaube, das ist die letzte Erhöhung, danach geht’s bergab!“ ruft sie mir von weitem zu. Ich seufze, lache und weiß nicht genau ob ich weinen soll. Meine Füße tun weh. Sehr sogar. „Komm schon! Wirklich! Nur noch dieser Gipfel“. Ich glaube ihr, weil ich ihr glauben will. Auch wenn sie es schon fünf Mal gesagt hat. Es ist nicht der letzte Gipfel. Unermüdlich geht es nach oben. Berge sind fies , beschließe ich. Die Aussicht ist hingegen wundervoll, ich mache Fotos, lenke mich so selbst ab. Rosmarie macht Fotos von mir, so lenkt sie sich ab. Wir lachen beide und gehen weiter. Nach oben. Immer nach oben!
    Die wunderbare Sonne, der Ausblick, all das genießen wir sehr. Doch der Weg ist hart. Er nimmt mir alle Illusionen. Ein Spaziergang wird es sicher nicht. Obwohl ich mich nicht als unsportlich betrachte, bin ich es wohl. Immer öfter muss ich stehen bleiben um die Umgebung noch bewusst wahrzunehmen, zu sehr bleibt der
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