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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos
Autoren: Hans Gruhl
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Verwaltungsdirektor auf den Brief zwischen die Nummern und Zeichnungen. Dann schob er ihn weit von
sich.
    »Ja — notfalls müssen wir
diesen Monat noch ohne Assistentin auskommen.«
    »Es war immer schon ein
trauriger Monat«, sagte ich. »Ja, ja.«
    Er gab sich Mühe, über meinen
kläglichen Witz zu lachen.
    »Haben Sie noch nie eine
Assistentin gehabt?« fragte ich.
    Ein paar Falten erschienen auf
seiner Stirn. »Doch, natürlich, schon mehrere. Aber Sie wissen ja, wie das ist.
Isotopen sind Neuland. Jeder denkt an Atombombe und so was. Sie hatten Angst
vor Strahlen. Sie meinten, sie bekämen keine Kinder mehr. Natürlich reine
Hysterie.«
    Er lachte häßlich.
    »Manche von denen werden
sowieso keine Gelegenheit dazu haben. Na ja, nun müssen wir eben auf die nächste
warten.«
    Später wurde mir klar, warum
niemand bei ihm geblieben war. Nach einer kurzen Pause fragte er, ob ich mich
schon im allgemeinen Labor bekannt gemacht hätte.
    »Nein, ich wollte erst unser
Labor ansehen — und.«
    Ich konnte nicht eingestehen,
daß ich es aus Schüchternheit nicht getan hatte.
    »Nun, dann können wir das jetzt
tun.«
    Ich folgte ihm. Er stieß die
erste Tür hinter der Treppe auf, ohne anzuklopfen.
    Wir traten ein.
    Das Hauptlabor glich allen
anderen seiner Art. Die weißen Rücken der Mädchen waren über die Mikroskope
gebeugt. Unter dem Abzug brodelten farbige Flüssigkeiten in den Glaskolben, und
Rauchschleier stiegen hoch. Aus einem Nebenraum drang Kaffeeduft. Die Tür des
mächtigen Eisschrankes war weit geöffnet. Ich sah Blutkonserven, Flaschen, Reagenzien
und im unteren Fach Butter, Marmelade und eingewickelte Frühstücksbrote.
    Peters reichte mich herum.
    »Darf ich Herrn Doktor
Butterweis bekannt machen — er arbeitet ab heute mit im Isotopenlabor.«
    Händeschütteln, Namengemurmel.
Ich spürte, wie ich unter den Blicken rot wurde, und welche Mühe es manchen der
Mädchen bereitete, nicht zu lächeln. Ich war froh, als wie wieder draußen
waren.
    Peters fragte: »Beim Chef waren
Sie schon?«
    »Nein«, antwortete ich, »ich
habe ihn nur schriftlich kennengelernt.«
    »Nun, dann wollen wir sehen, ob
wir das auch gleich erledigen können.«
    Er rief das Sekretariat an. Es
paßte.
    Wir fuhren mit dem Fahrstuhl
zum ersten Stock.
    Im Vorzimmer saß eine dürre,
schwarzhaarige Dame, die mich durchdringend anblickte. Peters machte mich
bekannt und redete sehr höflich mit ihr. Mit Chefsekretärinnen wird meistens
höflich gesprochen. Auch diese schien das Institut als ihr Eigentum und das
Personal als ihre Angestellten zu betrachten. Einige Minuten mußten wir warten.
Dann leuchtete eine Mattglasscheibe neben der Tür auf. Bitte eintreten.
    Im Zimmer des Chefs ging eine
grundlegende Änderung mit Peters vor.
    Ich staunte.
    Die überlegene, gönnerhafte
Haltung verschwand. In sein Gesicht trat ein angespannter, beflissener Zug.
Seine Blicke verfolgten jedes Wimpernzucken des Professors. Kein Bräutigam
hätte seiner Braut die Wünsche eher von den Augen ablesen können. Er blieb auf
der Vorderkante des Stuhles sitzen und spielte nervös mit seinen Fingern.
Jetzt, hier in diesem Zimmer, sah ich plötzlich, daß zwischen ihm und mir gar
kein so großer Unterschied bestand. Mir wurde leichter ums Herz. Vor dem Chef
hatte er die gleiche Furcht wie ich.
    Professor Paulus, Koryphäe der
Röntgenologie, zu seinem Leidwesen bisher unberücksichtigter Anwärter auf den Nobelpreis
und nebenbei einer der größten Steuerzahler der Stadt, richtete in fahriger,
zerstreuter Art einige Fragen an mich. Er machte sich nicht erst die Mühe,
Interesse für meine Person zu heucheln. Ich antwortete ihm höflich.
    »So, so. Sehr schön, Herr Kollege.
Sie werden viel zu tun bekommen. Das Isotopenlabor ist erst im Aufbau.«
    Ich dachte an den Trümmerhaufen
im Labor II.
    »Kollege Peters wird Ihnen
alles zeigen.«
    »Jawohl, Herr Professor«, sagte
Peters und verbeugte sich im Sitzen.
    »Gut, gut. Ich hoffe, es
gefällt Ihnen bei uns.«
    Er reichte seine durchsichtige
Hand über den Schreibtisch. Wir waren entlassen.
    Im Vorzimmer mußte ich der
strengen Dame meine Personalien angeben. Ihre ganze Art ließ erkennen, daß die
Autorität des Chefs hinter ihr stand und sie unangreifbar machte.
    Kein Wunder. Er konnte sie
genausowenig entbehren wie sie ihn. Sie schrieb seine Privatrechnungen und
überblickte wahrscheinlich seine Finanzverhältnisse besser als er selbst. Nicht
einmal vor ihm brauchte sie Respekt zu haben.
    Im Fahrstuhl
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