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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka
Autoren: Karl May
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Gefährten folgten ihm.
    Erst als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, kehrte dem Espada der Mut zurück. Er wendete sich an seine Gefährten, um seine Niederlage zu beschönigen, denn einer derselben rief ihm höhnisch zu: „Welch eine Blamage, Antonio Perillo! Er hat dich geworfen!“
    „Lauf ihm doch nach, und binde mit ihm an! Gegen so einen Riesen kann kein Mensch aufkommen.“
    „Das mag sein. Aber er nannte dich Du. Welche Verächtlichkeit! Und du ließest es dir nicht nur gefallen, sondern nanntest ihn Sie, wie vorher.“
    „Ich habe auf das Du gar nicht geachtet.“
    „Und was war es mit dieser Salina del Condor? Was meinte er damit?“
    „Weiß ich es? Dieser Alemán scheint an einer fixen Idee zu leiden. Ihr wißt ja, daß die Deutschen alle Träumer oder mondsüchtig sind. Sprechen wir nicht mehr davon.“
    Vielleicht hätte man dieses Thema doch nicht fallenlassen, wenn nicht eben jetzt eine Person eingetreten wäre, welche die Blicke aller auf sich zog. Es war ein Gaucho, aber von so kleiner, schmächtiger Gestalt, wie keiner der Anwesenden in seinem Leben jemals einen Gaucho gesehen hatte. Das Männchen trug eine sehr weiße und sehr weite Hose, welche ihm nur bis an die Knie reichte, und eine rote, baumwollene Chiripa. Das ist eine Decke, welche der Bewohner der Pampa schräg um die Hüften schlägt, vorn und hinten emporzieht und dann um den Leib legt, wo sie von einem Gürtel festgehalten wird. Die Ärmel des Hemdes, welches ebenso rein und weiß wie die Hose war, hatte der kleine Träger bis über die Ellbogen aufgewickelt, so daß seine Vorderarme unbedeckt waren. Über den Gürtel war eine rote Schärpe gebunden, deren Enden an der Seite herunterhingen. Ein ebenfalls roter Poncho bedeckte den Oberkörper. Das ist eine wollene Decke, in deren Mitte sich ein Schnitt befindet, durch welchen man den Kopf steckt. Die Unterschenkel waren mit echten Gauchostiefeln bekleidet, welche folgendermaßen zubereitet werden. Man zieht beim Schlachten eines Pferdes von den unteren Beinen die Haut, doch ohne sie zu zerschneiden, noch lebenswarm herunter und legt sie in heißes Wasser, um die Haare leichter abschaben zu können. Man steckt, während diese Häute noch naß sind, die Füße hindurch und zieht sie wie Strümpfe an. Sobald das Leder trocken wird, legt es sich fest um die Waden und bildet eine sehr wetterfeste Bekleidung, welche man freilich niemals ablegen kann, sondern tragen muß, bis sie von selbst zerreißt und von den Beinen fällt. Natürlich sind da nur die Unterschenkel und der obere Teil des Fußes bedeckt; die Zehen aber sehen vorn heraus, und auch die Fußsohle bleibt nackt. Der Gaucho, welcher solche Stiefel trägt, geht so barfuß – wenn er nämlich geht. Von Gehen ist bei ihm nur dann die Rede, wenn er sich im Innern seiner Hütte befindet, sonst aber sitzt er ununterbrochen im Sattel. Daß die Zehen nackt sind, kommt ihm bei der Beschaffenheit seiner Steigbügel zustatten, denn dieselben sind so klein, daß er nur die große Zehe hineinzustecken vermag. Desto größer sind die Sporen, welche er trägt. Auch der kleine Mann, welcher jetzt in das Café getreten war, hatte ein paar Räder angeschnallt, welche die Größe eines silbernen Fünfmarkstückes besaßen. Ein graues Filzhütchen, von welchem eine Troddel hing, saß ihm auf dem Kopf, und unter diesem Hut trug er ein rotseidenes Tuch, dessen hinten herabgehenden Zipfel er vorn am Hals festgebunden hatte. Solche Tücher trägt der Gaucho unter dem Hut, da sie den Nacken vor dem Sonnenbrand schützen und zugleich eine angenehme Kühlung gewähren, weil sie beim Reiten vorn die Luft auffangen und dem Nacken zuführen. In dem Gürtel unter der Schärpe steckten ein langes Messer und eine zweiläufige Pistole, und über die Achsel hing an einem breiten Riemen eine Doppelflinte, welche nicht viel kürzer als der Mann selber war, der zwei Bücher in den Händen hatte.
    Dieser letztere Umstand war es besonders, welcher die Augen auf ihn zog. Ein Gaucho mit Büchern! Das hatte man noch nicht gesehen. Dazu war er vollständig glatt rasiert, was ebenso auffallen mußte. Auch blieb er vorn an der Tür für einen Augenblick stehen und grüßte, was keinem anderen jemals eingefallen wäre, mit einem lauten „Buenos días – guten Tag!“ Dann schritt er auf den Tisch zu, welcher soeben leer geworden war, setzte sich an demselben nieder, schlug beide Bücher auf und begann, gerade so, als ob er ganz allein sei, höchst eifrig
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