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326 - Schlangenmenschen

326 - Schlangenmenschen

Titel: 326 - Schlangenmenschen
Autoren: Manfred Weinland
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und jeden Arbeiter, der hier entbehrlich ist. Ich teile Waffen an sie aus – richtige Waffen, keine Prügel oder Mistgabeln!« Er spähte an Pablo vorbei, um sich zu vergewissern, dass noch keine der Gestalten, die ihn so beeindruckt hatten, in Sichtweite aufgetaucht war. »In zehn Minuten will ich euch alle vor dem Haus versammelt sehen! Du führst uns zu den Fremden. Bis heute warst du mein ganzer Stolz, Pablo. Was ist nur in dich gefahren, mich so zu enttäuschen? Ich werde dir zeigen, wie ein Castaño mit ungebetenen Gästen umgeht, wie er sich Respekt verschafft! Los jetzt, lauf!«
    Für einen Moment hielt Pablo noch wie angewurzelt inne. Sein flackernder Blick irrte in Richtung Meer. Aber es machte sich keine Erleichterung in ihm breit, als auch er keine Verfolger sah.
    Endlich löste er sich aus dem übermächtigen Schatten seines Vaters und rannte über den Hof zu den Stallungen.
    Castaño blickte ihm nicht länger als zwei, drei Sekunden nach. Dann ging er mit wuchtigen Schritten ins Haus und holte die Gewehre, mit denen er sich bislang noch bei jedem hatte Respekt verschaffen können.
    An Neidern und Feinden hatte es den Castaños nie gemangelt. Aber Indios? Primitive ?
    Castaños Mundwinkel bogen sich abfällig nach unten, als würden unsichtbare Gewichte daran ziehen. Wenn eine Lektion nötig war, würde er sie erteilen. Mit grimmiger Miene wartete er auf die Ankunft der kleinen Armee, die Pablo zusammentrommelte.
    ***
    »Was hast du vor?«
    Maria kam die Treppe herunter. Ihr schwarzes, am Hinterkopf zusammengestecktes Haar umrahmte ein Gesicht, das auch nach all den Jahren noch aussah, als hätte ein Künstler es in einer magischen Stunde modelliert. Castaños Frau war ebenso wie er knapp über fünfzig, nur sah man es ihr nicht an, im Gegensatz zu ihm.
    Sie hatte sich ihre Schönheit und scheinbar auch ihre Jugend bewahrt, und auch wenn die Züge mit jedem Sohn, den sie Castaño geboren hatte, reifer geworden waren, so fühlte sich der Padron doch jedes Mal in die Vergangenheit zurückversetzt, wenn er sie anschaute. Er hätte stolz auf Maria sein müssen, darauf, wie diszipliniert sie nicht nur von früh bis spät schuftete, sondern auch lebte. Wo Castaño drei-, viermal bei jedem Essen zugriff und sich am liebsten fetttriefendes Gebratenes einverleibte, begnügte sie sich meist mit Gemüse und Obst.
    Wenn das ihr Geheimrezept war, hatte er schon vor langer Zeit entschieden, lieber fett zu sein. Sein Lebensmotto hieß Genuss! Dafür hatte er in jungen Jahren auf vieles verzichtet – um es seinem Vater recht zu machen. Aber es hatte sich gelohnt. Nun waren seine Söhne an der Reihe. Er trug sich schon eine ganze Weile mit dem Gedanken, sich ganz aus dem Arbeitsprozess herauszunehmen und mit Maria noch ein paar gute Jahre zu verleben.
    Wie sehr sich ihre beiden Ansichten über ein »gutes Leben« allerdings unterschieden, wurde ihm jedes Mal bewusst, wenn er sie, wie jetzt, auf sich zukommen sah. Noch bevor er ihre Frage beantwortete, hatte er das Gefühl, dass sie bereits wusste, worum es ging.
    Er lud das Gewehr, das er in den Händen hielt, in geübter Manier durch und legte es dann auf den Stapel zu den anderen. Schusswaffen waren sein Steckenpferd. Und oft ging er weniger mit der Absicht auf die Jagd, etwas zu erlegen, als vielmehr, einem seiner »Schätzchen« den Staub aus dem Lauf zu schießen.
    »Pablo kam angerannt und faselte von Fremden, die mit Booten angelandet wären. Er glaubt, es seien Indio-Krieger. Ich werde mir die Sache ansehen.«
    »Und dafür brauchst du das da ?« Sie zeigte auf die Gewehre. In gleichem Maße, wie Luis Castaño Waffen liebte, verabscheute Maria sie. Castaño hatte damit kein Problem – solange sie sich nicht weiter einmischte.
    »Sollen wir uns abschlachten lassen?«
    »Wer sollte das tun wollen?« Ihr schmales Gesicht hatte diesen Ausdruck angenommen, den Castaño am wenigsten an ihr schätzte. Kühles Taxieren, gepaart mit leisem Spott. Wann immer sie ihn auf diese Weise musterte, ahnte er, dass sie ihn eigentlich verachtete. Das, zu was er geworden war.
    Er verfolgte den Gedanken nicht weiter. Seine Selbstschutzmechanismen funktionierten einwandfrei.
    »Das sagte ich gerade: fremde Krieger. Frag deinen Liebling Pablo. Er hat sich fast in die Hose gemacht, als er sie beobachtete.«
    »Red nicht so über ihn. Pablo ist ein guter Junge!« Sie stemmte die Fäuste in die Hüften, und der Saum ihres dunklen Kleides schwang hin und her, als sie auf ihren Mann
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