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306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens
Autoren: Jo Zybell
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an dem Ann gestorben war.
    »Denk nicht mehr daran«, murmelte der scheinbar alterslose Mann mit dem weißen Haar und den roten Augen zu sich selbst. Wie um das schreckliche Bild zu verscheuchen, fuhr er sich über die Augen. »Blick nach vorn. Denk an die Heimat, an Myrial, an das Kind und Canduly Castle...«
    Der Gedanke an seine Frau wärmte ihm die Brust von innen. Hoffentlich ging es Myrial gut, hoffentlich war das Kind gesund zur Welt gekommen. Sehnsucht und Sorge loderten in seinem Herzen auf.
    »Hast du Jenny gesehen?« Sir Leonard hatte sich vom Grab der Queen abgewandt und stapfte ihm entgegen. »Plötzlich war sie weg.« Sorgenfalten zerknautschten sein kantiges und hundertfach zerfurchtes Gesicht. »Ich mache mir Sorgen.«
    Mehr als ein paar Sätze hatten Vater und Sohn noch nicht gewechselt seit dem Wiedersehen. Zu viel war losgewesen, seit Mutter vernichtet war und ihre ehemaligen Anhänger wieder über einen freien Willen verfügten. Der Kampf gegen den ZERSTÖRER, Anns und Victorias Tod und dann das Zerwürfnis zwischen Matthew und Aruula – so viele Umwälzungen auf einmal, das musste man erst einmal wegstecken.
    »Sie saß allein bei Anns Grab, als ich zum Apfelbaum ging.« Rulfan spähte zu Victorias letzter Ruhestätte. Nur Pieroo und ein Handvoll Männer und Frauen aus Guernsey standen noch dort. »Irgendwann ging sie dann zu euch an Victorias Grab. Da habe ich sie zuletzt gesehen.«
    »Sie stand neben mir.« Leonard Gabriel lief los und steuerte die Abraumhalde an. »Aber sie muss sich klammheimlich aus dem Staub gemacht haben.« Mit für einen Mann seines Alters bewundernswerter Leichtigkeit – Sir Leonard ging auf die Hundertzwanzig zu – stieg er den Geröllhügel hinauf. Rulfan folgte ihm.
    Es schnürte ihm das Herz zusammen, wenn er an Jenny Jensen dachte. Wie sollte diese Frau jemals wieder lachen können? Er jedenfalls würde zerbrechen, sollte er jemals ein Kind verlieren. Erst recht, wenn er, wie Jenny, Teil des Verhängnisses wäre, das zu dem Unglück geführt hatte. Rulfan hatte kaum Hoffnung für sie. Genauso wenig wie für Maddrax.
    Der Abschied von seinem Freund und Blutsbruder war Rulfan besonders schwer gefallen. Der Mann aus der Vergangenheit war in einem desolaten Zustand: traurig, verzweifelt, hoffnungslos, vielleicht sogar ein wenig verwirrt. Doch was sollte man von einem Mann erwarten, der gerade seine Tochter verloren und sich von seiner langjährigen Geliebten getrennt hatte?
    Sir Leonard hastete bereits zwischen die Hütten, als Rulfan den Kamm des Geröllhaufens erreichte. Der ehemalige Prime von Salisbury hatte es eilig, und das nicht ohne Grund: Jenny Jensen war ernsthaft selbstmordgefährdet.
    Von Osten her näherten sich Fahrzeuge und Menschen. Rulfan sah die Kolonne, blieb stehen und schirmte die Augen mit der Rechten ab. Meinhart Steintrieb! Mit zahllosen Helfern brachte er den Hauptteil seines Haushalts zum Hüttendorf. Von hier aus wollten sie gemeinsam zur Küste aufbrechen.
    An der Spitze des langen Trosses rollte Steintriebs Jeep; Gonzales, der Kommandant der Marsianer, lenkte ihn. Hinter dem Jeep kroch ein Schlepper den flachen Hügel herab, von Meinhart selbst gesteuert. Auf seinem Anhänger stand zwischen vielen Holzkisten ein motorisiertes Dreirad.
    Angebunden an den Hänger rollten zwei kleinere Wagen hinterher. Die Motoren der beiden Fahrzeuge funktionierten im Augenblick nicht, wie so manches aus Meinharts Werkstatt, Lagerhallen und Tiefgarage. Der schrullige Technikfreak hatte die beiden Marsianer Calora Stanton und Damon Marshall Tsuyoshi an die Steuer gesetzt.
    Außerdem hatte Meinharts Zugmaschine noch mehrere kleinere Anhänger im Schlepptau, und jeder quoll schier über von Kisten und Säcken. Diesen Anhängern folgte etwa ein Dutzend Wakudagespanne. Jedes zog einen vollgepackten Zweiachser.
    Den Karren wiederum schlossen sich etwa vier Dutzend in Leder und Felle gehüllte Männer an, die allesamt Leiterwagen voller Hausrat hinter sich her zogen. Das waren Fischer aus den winzigen Ruinensiedlungen der Umgebung. Meinhart Steintrieb bezahlte sie mit Werkzeugen, Kleidern und Mobiliar aus seinem riesigen Hausrat; mit lauter Dingen, die er nicht nach Britana und Canduly Castle mitnehmen wollte.
    Teile seines kleinen Fuhrparks hatte der geniale Ingenieur bereits am Südrand des Dorfes geparkt: ein Kettenfahrzeug mit Planierschild zum Beispiel und eine schwere Panzerraupe.
    Rulfans Stimmung stieg beträchtlich angesichts des langen Trosses, der sich
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