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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden
Autoren: Karl May
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heidnischen Vorzeit noch viele Gebräuche mit herübergenommen, an denen sie zäh festhalten, obgleich sie dies dem Fremden gegenüber nur höchst ungern merken lassen. Vielleicht sollten die Bärentatzen dem Thiermes, einer ihrer früheren Gottheiten, geweiht werden, dessen Bild, ein roh zubehauener Holzklotz, noch viele Lappen im stillen Hain ein verborgenes Heiligtum errichten. Sie wurden auch wirklich von den Pranken getrennt und separat zusammengebunden.
    „Seht, wie mager sie schon sind!“ sagte Neete, der Sohn Pents. „Dieser Bär hat bereits in der Erde gesteckt und ist in seinem Winterschlaf gestört worden. Nun suchte er einen anderen Ort und hat dabei Hunger bekommen. Er kam so still, daß ich ihn erst gewahrte, als ich das arme Wesen zum letztenmal grunzen hörte. Möge seine Seele als Sjäkenes (Gespenst) ewig im Metse (wüsten Wald) spazieren gehen müssen!“
    Die einzelnen Stücke des getöteten Tieres, welches eine Länge von sicher sechs Fuß gehabt hatte, wurden aufgenommen, und wir traten den Rückweg an. Als wir den Ort erreichten, an welchem Vater Pent sich von uns getrennt hatte, blieb ich halten.
    „Er ist noch nicht wieder zurück“, sagte ich. „Wird es nicht besser sein, wenn wir nach ihm sehen?“
    „Wir dürfen es nicht“, antwortete Onkel Satte. „Er ist der Gebieter und hat befohlen, daß ihm keiner folgen solle. Wir müssen ihm gehorchen.“
    „Aber, wenn ihm ein Unglück geschehen ist!“
    „Das glaube ich nicht. Er kennt jeden Schrittbreit dieser Gegend, jeden Baum des Waldes und jedes Tier, welches hier lebt. Wir können ganz ruhig sein. Er wird bereits wieder nach der Hütte zurückgekehrt sein.“
    „Das ist sehr zweifelhaft. Er als Jäger würde sich ganz sicher wieder angeschlossen haben, um uns zu helfen, den Bären zu erlegen.“
    „Dazu waren wir ja Männer genug; das hat er gewußt. Laßt uns also ruhig weiter gehen!“
    Wir legten die Strecke Wald zurück, stiegen den felsigen Hügel hinab und befanden uns dann wieder auf der sumpfigen Ebene, wo wir die Schneeschuhe wieder anlegen und schneller vorwärts kommen konnten. Das Nordlicht war im Verglühen, als wir die Hütte erreichten.
    Die Grundlage derselben bildete eine Anzahl von Stangen, welche rundum in den Boden so gesteckt waren, daß ihre Spitzen oben zusammenstießen. Sie waren, da Vater Pent zu den wohlhabendsten Lappen zählte, mit einer doppelten Lage von Rentierhäuten bekleidet, und oben hatte man ein Loch gelassen, damit der Rauch abziehen könne; dasselbe wurde jedoch zur Schlafenszeit verschlossen, um die Wärme nicht entfliehen zu lassen. Dieser Hautüberzug ging rund um die Hütte noch eine Strecke über den Boden hin, um allerlei Vorräte darunter aufbewahren zu können. Jetzt, im Winter, war diese Wohnung von einer dichten Lage gefrorenen Schnees bedeckt, der keine Kälte in das Innere dringen ließ. In der Mitte des Wohnraumes befand sich, wie bereits gesagt, der Feuerherd, über welchem ein kupferner Kessel hing, der mit einer Kette oben an einer der Stangen befestigt war. Rundum hatte man über eine Lage von Heu weichgegerbte Felle ausgebreitet, um Lager und Sitze für die Glieder der Familie und – die Hunde – zu bilden. Das Geschirr hing an den schrägen Wänden, und oben, in der Nähe des Rauchabzuges, hatte man die Rentierkeulen nebst den Rentiermagen befestigt, welche den Käse und die gefrorene Milch, vielleicht auch das als Universalmedizin dienende Rentierblut enthielten.
    Als wir anlangten, empfing uns Kakke Keira mit lautem Jubel, welcher seinen Grund wohl in dem Bärenschinken hatte, der den Lappen stets ein willkommener Leckerbissen ist. Auf seine lauten Rufe traten die Frauen aus der Hütte.
    „Kussne le attje – wo ist der Vater?“ fragte Mutter Snjära, als sie bei dem Überblick der Personen sah, daß der alte Pent fehlte.
    „Ist er noch nicht angekommen?“ erkundigte sich Onkel Satte.
    „Nein. Etnatjam (Onkelchen, mein lieber Onkel), wo ist er geblieben?“
    „Draußen im Wald.“
    „Im Wald? Im Wuorai (hohen Schnee)? Wenn nun ein Bär, ein Wolf oder gar ein Wuoikenes (Geist) ihn überfällt! Weshalb ist er im Wald geblieben?“
    „Er sah einen Mann, dem er gefolgt ist. Es war ein Ammats (Fremder), der sich vor uns verbergen wollte.“
    „Tije lepet takkam jerpmetipme – Ihr habt unverständig gehandelt. Dieser Fremde ist vielleicht ein Rentiertöter, der viele Waffen bei sich hat. Warum habt ihr den Vater alleingelassen?“
    „Sotn le trawam van – er
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