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289 - Circus des Schreckens

289 - Circus des Schreckens

Titel: 289 - Circus des Schreckens
Autoren: Jana Paradigi
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wie…«, er hielt inne und lauschte erneut. Aber es gab keinen Zweifel. Diese ungewöhnlichen Orgelpfeifen und das Akkordeon waren unverkennbar. »… Jahrmarktsmusik!«
    Aruula lief zum Seitenfenster der Gondel, drückte ihre Hände an die Scheibe und blickte suchend in den nebligen Sumpf. »Was ist ein Jahrmarkt?«
    »Ein wunderbarer Ort!«, rief Xij begeistert und kam an ihre Seite. »Da gibt's die unglaublichsten Artisten, dressierte Tiere, Messerwerfer, Jongleure, Löwenbändiger und die schönsten Pferde der Welt.«
    Matt hob die Brauen und blickte zu Aruula. »Mich erinnert es eher an lärmende Fahrgeschäfte, klebrig süße Leckereien, tonnenweise gebratene Hühnchen und Bier bis zum Abwinken.«
    »Lass uns näher fliegen, Rulfan«, bettelte Xij, und Matt konnte nicht anders, als sich ein weiteres Mal über das burschikose Mädchen zu wundern. »Bitte, lass uns nachsehen, was da los ist!«
    »Wir haben durch den Umweg schon genug Zeit vertrödelt«, meinte Alastar ganz und gar nicht begeistert. »Was auch immer da klimpert, soll es alleine weiter tun. Wir haben Wichtigeres zu tun.«
    »Zum Beispiel, Trinkwasser aufzunehmen«, schaltete sich Rulfan ein. »Wo Menschen sind, muss es auch Brunnen geben. Oder wollt ihr lieber von dem öligen Schlamm probieren?«
    Matt nickte. »Rulfan hat recht. Das ist vielleicht die letzte Gelegenheit für Tage, Vorräte zu beschaffen. Außerdem wird es uns ganz gut tun«, er ließ seinen Blick zwischen Aruula und Alastar hin und her wandern, »uns die Beine zu vertreten und auf andere Gedanken zu kommen. Werfen wir zumindest einen Blick auf die Quelle der Musik. Dann sehen wir weiter.«
    Damit war Alastar ein weiteres Mal überstimmt und Rulfan steuerte das Luftschiff tiefer in den Nebel hinein.
    Sie glitten knapp über den Wipfeln der wenigen Baumgerippe entlang, während die Musik von Minute zu Minute lauter wurde und schließlich das Surren der Elektromotoren ganz übertönte. Aber auch der penetrante Geruch nach Moder und fauligem Wasser nahm zu. Hier und da sah Matt etwas in den Rinnsalen zwischen dem Schlick zucken. Vielleicht nur eine aufplatzende Blase oder eine Art Wattwurm.
    Was auch immer diese altbekannten Klänge verursachte, es schien keine großen Spaziergänge ins Umland zu unternehmen oder hatte eine ganz besondere Tarnfähigkeit, um sich den Blicken von oben zu entziehen.
    Die stumpfe Zeppelinspitze zerteilte den Nebel Vorhang um Vorhang, während Rulfan immer weiter nach Norden in Richtung der Küste des Kaspischen Meeres steuerte.
    »Da! Da unten vor uns!«, rief Xij aufgeregt wie ein kleines Mädchen.
    Die dunstige Suppe lichtete sich und ein Farbtupfer mitten im tristen Graugrün tauchte vor der dunklen Silhouette des Binnensees auf. Befestigtes Land direkt vor der Küste - ein kreisrundes Areal auf sandigem Boden und mitten im Zentrum ein riesenhaftes, rot-weiß gestreiftes, mit Fähnchen verziertes… Zirkuszelt!
    »Ich glaub, ich spinne«, entfuhr es Matt. Nicht nur, dass dort unwirklich strahlend ein Relikt aus alten Tagen stand, es wuselte auch alles andere, was zu so einem Jahrmarktstreiben gehörte, darum herum: Menschen in farbenfrohen Kostümen, grell geschminkt oder mit Masken, mit Clownsschuhen, Hosenträgern oder Zylindern oder einer Federboa um den Hals, in ausladenden Plusterhosen, Tarzanschurz oder Artistenrobe. Kinder drehten sich mit glitzernden Hula-Hoop-Reifen um die Hüfte kreisend auf der Stelle, Kerle im Frack staksten auf Stelzen zwischen den altertümlichen Wohnwägen umher, die sich mit Käfigen voller exotischer Tiere abwechselten.
    Selbst die Luft trug das Spektakel weiter. Statt modrig und faul roch es mit einem Mal nach Gebratenem, gebrannten Nüssen und frisch geriebenen Kokosraspeln.
    »Lass uns landen, Rulfan! Bring uns runter, damit wir uns umsehen können!«, rief Xij ganz aus dem Häuschen, und auch Aruulas Augen glänzten wie die eines Kindes, das sich die Nase an der Scheibe eines Bonbonladens platt drückt.
    Matt blickte zu den anderen beiden. Dem Chefexekutor war deutlich anzusehen, dass ihn die Sache kalt ließ und er alles andere als begeistert von der Idee war. Rulfan dagegen reckte von seinem Schaltpult aus den Kopf, als hielte er bereits nach einem geeigneten Landeplatz Ausschau.
    »Na, dann lasst uns sehen, was der Zirkusdirektor für eine Geschichte zu erzählen hat«, sagte Matt schließlich und kontrollierte vorsorglich den Sitz seines Drillers.
    ***
    Kaspisches Meer, 4. Januar 2012
    Die Nachrichten sprachen
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