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281 - Bausteine des Lebens

281 - Bausteine des Lebens

Titel: 281 - Bausteine des Lebens
Autoren: Sascha Vennemann
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es schwerer getroffen.«
    Er blickte Mecloot an. Wie knapp dreißig Winter sah er aus, nur wenig älter als er selbst. Seit sie mit dem Geschenk des Hüters gesegnet worden waren, alterten sie nicht mehr.
    »Ich habe nachgegrübelt, ob es nicht doch eine Veränderung für uns gegeben haben könnte«, teilte Teggar seine Gedanken mit. »Vielleicht müssen wir neu überdenken, wie die Zusammenhänge zwischen dem Hüter, unserer Unsterblichkeit und der Bindung an den See sind.«
    Mecloot brummte zustimmend und pulte eine Gräte zwischen den Zähnen hervor. »Kann sein. Wir dachten immer, die Unsterblichkeit hinge mit der Existenz des Hüters zusammen. Jetzt wissen wir, dass er dafür nicht unbedingt am Leben sein muss.«
    Teggar legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. »Genau. Was, wenn es der Hüter war, der uns nicht gehen lassen wollte? Wenn uns gar nichts an diesen Ort und den See bindet? Wenn uns keine Grenzen mehr auferlegt sind? Dann besteht jetzt vielleicht die Möglichkeit, weiter als drei Tagesmärsche von hier fortzugehen!«
    Mecloot spuckte die restlichen Gräten, auf denen er herumgekaut hatte, in die Handfläche und schleuderte sie Richtung Wasser. Sofort stießen ein paar weiße Vögel herab, die zuvor über der Siedlung gekreist hatten, und schnappten sich die Überreste des Mahls. »Es wäre schön, sich nach all den Wintern einmal woanders umsehen zu können.« Er wandte sich ab, schlenderte hinüber zur gegenüberliegenden Seite der Brüstung und schaute auf das Dorf des Teggar-Clans herab. Schlichte Holzhütten, ein großer Dorfplatz mit kleineren Kochfeuern. Ihr kleines Universum.
    Teggar nickte nachdenklich. Wenn es tatsächlich die Möglichkeit gab, von hier fortgehen zu können, dann mussten sie das wissen. Was früher passiert war, wenn man sich zu weit vom See entfernte, das hatte sich erst bei Maddrax' Ankunft wieder einmal gezeigt: Ein Jagdtrupp war weitab des Sees verschüttet worden und konnte nicht rechtzeitig zurückkehren. Der Schwarze Tod war über sie gekommen, war ihnen aus allen Körperöffnungen gelaufen und hatte ihre Leiber geschmolzen, bis sie nur noch eine ölige dunkle Masse waren.
    Teggar hatte diesen Prozess, der ab einem bestimmten Punkt nicht mehr aufzuhalten war, schon des Öfteren mit ansehen müssen.
    »Komm!«, sagte der Chiiftan und zog Mecloot am Arm Richtung Holzleiter. »Wir schicken jemanden los, der das für uns überprüfen soll. Es wird eh Zeit, dass wieder ein Trupp auf die Jagd geht.«
    »Die drei Männer, die für die nächsten zwölf Tage dafür zuständig sind, halten sich schon bereit«, berichtete Mecloot. Er kletterte als erster wieder hinab.
    »Gut«, sagte der Clanchef entschlossen. »Dann soll einer von ihnen die Grenze überschreiten und feststellen, ob der Hüter so gütig ist, uns nach seinem Tod gehen zu lassen.« Damit machte er sich an den Abstieg.
    ***
    Vier Tage später
    Die Heilige Frau sang die ganze Überfahrt lang.
    Sie saß am Bug eines der drei kleinen Boote, mit denen Teggar, Mecloot und zehn weitere Krieger zur Insel des Hüters paddelten, und wiegte, die Augen geschlossen, den Oberkörper hin und her. Ihren Umhang aus Geruul-Fell hatte sie wie eine Decke über die Schultern gelegt.
    In Trance stieß sie die jaulende Laute aus, die auch der Hüter ab und zu von sich gegeben hatte. Ihm zu Ehren imitierte sie sein Rufen, immer dann, wenn sie ihm einen Toten auf sein Eiland brachten. Es war die Macht der Gewohnheit, dass sie es auch jetzt wieder tat.
    Das, was von Mavrik übriggeblieben ist, geht wohl kaum noch als Leichnam durch , dachte der Chiiftan beklommen. Er warf einen Blick zu den Männern im Boot etwa acht Speerlängen neben ihm. Mecloots Miene war ausdruckslos. Auch seine Hoffnungen darauf, diesen Landstrich noch einmal verlassen zu können, waren zerschlagen worden.
    Drei Männer waren vor vier Tagen aus ihrem Dorf aufgebrochen. Zwei von ihnen kehrten am übernächsten Tag mit erbeutetem Wild zurück. Mavrik, ihr Anführer, hatte von Teggar den Auftrag erhalten, sich noch einen weiteren Tag in Richtung Britana zu bewegen, um herauszufinden, ob sie noch immer an den Fluch gebunden waren.
    Teggar wies seine Ruderer an, sich Mecloots Jolle anzunähern. Wenige Atemzüge später lagen die Boote nur noch zwei Speerlängen auseinander. Das dritte Boot mit der Heiligen Frau, die unablässig weitersang, war etwas hinter ihnen zurückgefallen.
    Der Chiiftan warf einen Blick auf den hölzernen Behälter, der hinter Mecloot auf den
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