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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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ging er hundert Schritte weiter, wo selbige eine Öffnung aufwies. Eine steinerne Treppe führte zu einem Landesteg hinunter. Der Einmaster auf der rechten Seite des Stegs hieß Pereat Tristitia , war zehn Meter lang und roch nach Fisch. An Deck verstreuter Schrott und viele leere Flaschen deuteten an, dass der Eigner - Helmoot? - ehrlicher Arbeit gern aus dem Weg ging.
    Das Schiff gegenüber hieß Duopfa . Es war dreißig Meter lang und hatte drei Masten. An der Reling stand ein verwegener bärtiger Kerl mit exotischer Kleidung und einem Säbel am Gürtel. Er rauchte eine grüne Algenzigarre. Sein Haar war lang. Goldene Ringe zierten seine Ohren. Als er Sepp an der Treppe sah, legte er eine Hand auf seinen Mund und schüttelte sich.
    Lach nur , dachte Sepp. Lach nur! Irgendeines Tages wirst du im Schlund eines Leukomorphen enden! Dann lache ich und schiffe auf dein feuchtes Grab . Diese Formulierung fand er so witzig, dass er selber lachen musste.
    Sein Gelächter schien dem Mann an Deck nicht zu gefallen. Er stürmte ans Heck, beugte sich über die eiserne Reling, drohte Sepp mit der Faust und schrie: »Was gibt's da zu lachen? Ich komm gleich da rauf und dreh dir'n Hals um!«
    Sepps Augen tränten vor Freude, nicht zuletzt auch deswegen, weil er wusste, dass der Blödmann an der höchsten Rahe landete, wenn er seinen Posten verließ. Was Wachen anging, kannten die nördysken Kapitäne keinen Spaß: Wer seinen Posten verließ, hatte seinen letzten Fischkopf verzehrt.
    Dieses Wissen machte Sepp so mutig, dass er große Lust empfand, dem Grobian die Zunge herauszustrecken und wie ein Dorftrottel mit den Händen hinter den Ohren zu wedeln. Bevor er jedoch dazu kam, in diese Niederungen hinabzusteigen, erblickte er aus seinem tränenden rechten Augenwinkel die schönste Frau der Welt.
    »Was ist denn hier so lustig?«, fragte sie.
    Sepps Lachen verstummte. Er zückte sein rotweiß gepunktetes Sacktuch und wischte sich das Wasser aus den Augen. »Ach, ich musste nur an etwas denken…« Er schnappte nach Luft, doch nicht nur, weil er sich beim Lachen verausgabt hatte: Das blonde Fräulein mit dem langen Haar und dem Säbel an der Seite, das da wie ein Seemann bekleidet vor ihm stand, hatte Formen, die ihm den Atem nahmen. Das Schönste war: Sie war kaum größer als er und hatte die gleichen grünbraunen Augen wie Aruula.
    »Das passiert mir auch oft«, sagte das Fräulein mit einem einnehmenden Lächeln. Es winkte dem Randalierer an der Reling mit einem Weidenkorb zu, der, wie Sepp vermutete, die Verpflegung des Mannes enthielt. Dies führte dazu, dass der Raufbold sich abregte und zum Bug zurückging. »Besonders, wenn ich an lustige Dinge denke.« Sie begutachtete Sepp eingehend. »Ich heiße Blondyne.«
    »Was für ein schömer Nane«, sagte Sepp. »Schöner Name, meine ich.« Er war ganz durcheinander. »Ich heiße Nüssli. - Sepp Nüssli.« Er hätte ihr auch gern erzählt, dass er früher Geheimagent im Dienst des Schweizer Bankvereins gewesen war, aber er wollte mit seinem weltmännischen Hintergrund nicht angeben.
    »Was Ihr nicht sagt…«
    Dass Blondyne nicht größer war als er, aber dennoch erwachsen, gefiel ihm, denn Männer, die keine drei Ellen maßen, hatten es fast so schwer wie Frauen von sieben Ellen. Jedes Mal, wenn Sepp einem weiblichen Wesen seiner ungefähren Größenklasse begegnete, wurde sie instinktiv als potenzielle Partnerin begutachtet: Schließlich war er ein attraktiver junger Mann, der sich in einsamen Stunden auch schon mal vorstellte, wie es wohl wäre, sich mit einer schönen kleinen Frau fortzupflanzen.
    »Was treibt Ihr an diesem abgelegenen Ort, Herr Nüssli?«, fragte Blondyne. »Wenn Ihr nicht gerade an komische Sachen denkt, meine ich?« Sie zwinkerte Sepp zu.
    »Ich suche eine Heuer«, sagte Sepp und verriet damit einen seiner Lebensträume. »Auf einem Schiff wie diesem da.« Er deutete auf die Duopfa . »In meiner Heimat war es mir zu langweilig. Deswegen bin ich in den Norden gezogen. Ich will Abenteuer erleben, wobei ich nicht wählerisch bin. Von mir aus fahre ich auch mit den tückischsten und gemeinsten Lumpen der ganzen Erdenscheibe!«
    »So, so.« Blondyne spitzte die Lippen. »Dann seid Ihr ja beim Schiff des berüchtigten Freibeuters Ole Rotbaad genau am richtigen Ort. - Zufällig weiß ich, dass Ole eine Fahrt in das mythische Land der Sarazynen plant, wo jeder bärtige Mann das Anrecht auf zweiundsiebzig Jungfrauen hat.«
    »Wirklich?« Sepp konnte es kaum
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