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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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schneien, doch die Welt blieb grau, denn die Sonne wollte nicht aus ihrer Deckung kommen.
    Sehr schlau , dachte Hasso. Sein Blick wanderte zum noch immer sichtbaren Mond hinauf. Irgendwo hatte er die irre Theorie aufgeschnappt, der Mond bestünde aus grünem Käse. Der Gedanke erinnerte ihn daran, dass er alles andere als satt war.
    Wie aufs Stichwort fing sein Magen wieder an zu knurren.
    Friedrichsen schaute vom Steuer herüber. »Sie haben wohl Hunger, Herr Leutnant…«
    Hasso seufzte. »Ich schäme mich nicht, es zuzugeben, Friedrichsen. Obwohl Ihr Bütterken wirklich lecker war, war es doch nur etwas für den hohlen Zahn.«
    Friedrichsen lachte, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. »So wenig ein Soldat sich entschuldigt«, gab er zurück, »lobt er seinen Vorgesetzten.«
    Hasso sah, dass es dem Bootsmann nicht leicht fiel, sein Pokergesicht beizubehalten. »Aber ich muss Ihnen sagen, dass es mir wirklich eine Freude ist, Sie zu fahren. Sie sind nicht nur pflegeleicht, Sie knöttern auch nie.«
    Knöttern? Hasso kannte das Wort nicht, nahm aber an, dass es dem hochdeutschen Murren entsprach. »Danke.« Hasso fragte sich, welcher Tätigkeit Bootsmann Friedrichsen nachging, wenn er nicht gerade Krieg führte. Er wollte ihn gerade danach fragen, als am Horizont etwas sichtbar wurde, das wie eine dunkelgrüne Wand wirkte.
    Es war der Märchenwald seiner Kindheit.
    Hasso richtete sich auf. Ich bin zu Hause. Sein Herz fing freudig an zu pochen. Schon zu Beginn ihrer Reise war er fest entschlossen gewesen, vom vorgeschriebenen Weg abzuweichen, um einen Abstecher zu seinem Elternhaus zu machen. Er wollte sich nach dem Wohlergehen seiner Eltern erkundigen und etwas sehr Persönliches vernichten.
    »Da vorn…« Hasso deutete auf den Wald. »Da vorn ist irgendwo 'ne Einfahrt. Nur ein schmaler Waldweg. Er führt zum Häuschen meiner Eltern.« Er hüstelte. »Na ja… es ist eher ein Haus. Halten Sie die Augen auf, Bootsmann.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war 13:30 Uhr. Sein Magen knurrte wie verrückt. Friedrichsens Magen fiel ein. Sie mussten beide lachen. »Ich glaube«, murmelte Hasso, »ich kann den frisch aufgebrühten Kaffee schon riechen.«
    »Sagen Sie bloß… Kaffee? Keinen Muckefuck?«
    Hasso schnaubte gespielt verächtlich. »Mein Alter ist von Adel, Bootsmann. Und außerdem ein Großkapitalist. Diese Leute wissen immer, wie man um den Muckefuck herumkommt.«
    Friedrichsen seufzte. »Wem sagen Sie das?«
    Es war der 20. Januar 1945. Samstag. Während der Rest Preußens nach Westen flüchtete, bog der Kübelwagen ab und knatterte dem Tannenwald entgegen, in dem das Haus der Familie von Traven lag.
    Friedrichsen musste den Wald halb umrunden. Dann lag eine Ebene vor ihnen. »Das kann nicht wahr sein«, sagte Friedrichsen und trat auf die Bremse. Vor ihnen - auf der Landstraße - war ein Flugzeug gelandet.
    Hasso reckte den Hals. Es war eine Junkers vom Typ 52/3m, auch bekannt unter dem Namen Ju 52 oder Tante Ju. 3m bedeutete, dass sie drei Motoren hatte. Um das zu erkennen, musste man aber nicht unbedingt vom Fach zu sein. Gute Augen genügten. Was, um alles in der Welt, hatte das zu bedeuten?
    »Sehen Sie das auch?«, fragte er. »Oder ist es eine Halluzination?«
    »Nee, ich seh die Kiste auch.«
    Der Pilot stand im Freien und rauchte eine Zigarette. Sein Haar war schulterlang und blond. Als er den Kübelwagen hörte, hob der die linke Hand und winkte ihnen zu.
    Hasso traf beinahe der Schlag.
    Leonie!
    ***
    März 2526
    Der Winter ging zu Ende. Wenn man sich an der Mauer hochzog, die die Promenade vom Hafenbecken trennte - Sepp Nüssli hatte aufgrund seiner Körpergröße leider keine andere Wahl - sah man, dass das Hafenbecken des Küstendorfes Smörebröd schon eisfrei war.
    Leider fegte in dem mit dunklem Wasser gefüllten Becken aber noch ein mordskalter Wind.
    Deswegen, aber hauptsächlich wegen seiner auffälligen Ohren hatte Sepp die Kapuze über den Kopf gezogen. Er war neu in diesem Ort und gestern erst angekommen. Nach dem Ende seiner Affäre mit der so liebreizenden wie läufigen Tochter eines Kobenhachener Erdaushebers war er wieder als Kurier in die Dienste der Kristianer-Kirche getreten. Der Auftrag, der ihn zu dem hier tätigen Geistlichen geführt hatte, war abgeschlossen: Er hatte dem Mann Neuinterpretationen der Zehn Gebote überbracht.
    Nach Erhalt des wohlverdienten Lohns war Sepp zum Hafen gegangen, um sich die dort vertäuten Schiffe anzusehen. Er hatte seinen alten
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