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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff
Autoren: Ronald M. Hahn
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Leutnant«, kam Friedrichsens Stimme aus der Dunkelheit. »Ich bin hier - am Hinterausgang. Kommen Sie, schnell…«
    Hasso hörte plötzlich das Knurren seines Magens. Er hätte jetzt gern mit einer Tasse Kaffee und einem belegten Brot an einem Tisch gesessen. Aber daraus würde nichts werden. Trotzdem zögerte er eine Sekunde, als er die Küchentür passierte. Friedrichsen stand vor der offenen Hintertür. Auf seinem Rücken ein prall gefüllter Tornister der Kriegsmarine. Als altes Frontschwein musste er natürlich wissen, wo man etwas zu Futtern organisieren konnte.
    Hinaus! Hasso und Friedrichsen hasteten durch die Finsternis. Sie hatten den Kübelwagen am Abend zuvor in einem Stall geparkt.
    In der Ferne das dumpfe Grollen der Geschütze. Weiße Flocken landeten auf Hassos Nasenspitze. Die schneidende Kälte biss in seine Ohren. Am Himmel glitzerten eiskalte Sterne. Als Schüler hatte Hasso sich oft gefragt, ob diese Sterne wohl Planeten hatten. Nun stellte er sich vor, auf einem Planeten zu leben, auf dem es warm und friedlich und der Frühstückstisch gedeckt war. Seine Phantasie zerplatzte, als explodierende Granaten den östlichen Horizont erhellten.
    Der Stall war stockfinster. Es roch nach Pferden und Mist. Das Tor stand weit offen. Friedrichsen lief fluchend an der Wand entlang, fand aber keinen Lichtschalter. Ein vermummter Lulatsch, der den beiden Marinesoldaten mit einer Petroleumlampe entgegen kam, führte einen Gaul ins Freie.
    Hasso schaute gedankenlos hinter dem Mann her. Erst als der Bootsmann den Motor anwarf, kam er zu sich.
    In was für 'ne Scheiße bin ich da nur geraten? , dachte er. Warum bin ich 1936 nicht nach Los Angeles gegangen, als ich die Chance dazu noch hatte? Warum musste ich auf meinen Alten hören und zur Marine gehen?
    »Herr Leutnant?«
    Hasso fuhr herum. Der Kübelwagen stand knatternd neben ihm, und die Wolken aus seinem Auspuff verpesteten die Welt. Friedrichsen hatte den Rucksack zu ihrer sonstigen Fracht nach hinten geworfen. Nun deutete er auf den Beifahrersitz. »Wir müssen uns sputen. Bei dem Schneefall brauchen wir mindestens zwei Tage.« Sein Gesicht sagte: Falls wir unser Ziel überhaupt je erreichen.
    »Ja, ja…« Hasso warf den Helm nach hinten und schwang sich in das Fahrzeug. Die Tür fiel ins Schloss.
    Friedrichsen gab Gas. Sie fuhren hinaus. Der Stall verschmolz mit dem fallenden Schnee, der unter den Reifen knirschte.
    Mein Gott, was wird nun aus unserem Land? , dachte Hasso. Was werden die nach der Kapitulation mit uns machen?
    Dass die Alliierten siegen würden, bezweifelte er nicht. Ein Blinder konnte sehen, dass das Reich am Boden lag. Die Wehrmacht ging auf dem Zahnfleisch. Alles setzte sich ab. Der Arsch mit dem Zahnbürstenschnauz saß in Berlin in seinem Bonker und krakeelte jeden Tag in die Welt hinaus, der deutsche Landser werde bis zur letzten Patrone kämpfen. Außerdem sei es nur eine Frage von Stunden, bis die neuesten Wunderwaffen die Wende brächten.
    Jawoll, mein Führer!
    Hasso hätte gern gekotzt. Es lag aber nicht nur an seiner miesen Stimmung: Er hatte Autofahren noch nie gut vertragen. Schon gar nicht als Beifahrer. Mit leerem Magen war es noch schlimmer.
    Als er sich zum Fenster hinauslehnen wollte, um frische Luft zu schnappen, klatschte Friedrichsen ihm ein Päckchen in die Hand. »Tut mir leid, Herr Leutnant. Ich hab's ganz vergessen… Sie sind ja noch nüchtern. Essen Sie erst mal 'n Bütterken, dann wird's Ihnen besser gehen…«
    »Danke, Bootsmann.« Hasso holte mehrmals tief Luft, und das Gefühl der Übelkeit wich. Es war ein angenehmes Gefühl, neben jemandem zu sitzen, dem man nicht gleichgültig war. Friedrichsen kam ihm oft wie der ältere Bruder vor, den er nie gehabt hatte.
    Hasso biss mehrmals herzhaft von dem »Bütterken« ab und spürte bald, dass er seine Zukunft nicht mehr ganz so schwarz und deprimierend sah. Dann fuhr der Kübelwagen durch eine Querrinne und machte einen Satz. Die Ladung auf dem Rücksitz rutschte nach vorn. Es war Aktenkram für den Kapitän des KdF-Schiffes Wilhelm Gustloff , der in irgendein Archiv gebracht werden sollte. Vermutlich interessierte sich im Kriegsministerium kein Schwein mehr dafür. Aber geheime medizinische Informationen über die Magengeschwüre und Psychosen deutscher Marineoffiziere durften dem Iwan halt um keinen Preis in die Hände fallen.
    Die Häuser und Menschen von Deutsch-Eylau verschwanden hinter ihnen in der Nacht. Der Himmel wurde zum Universum. Die sich im Licht
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