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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu
Autoren: Manfred Weinland
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als Hölle. Für alles, was hier trieb, hatten die Worte Hoffnung oder Zukunft jede Bedeutung verloren. Hier existierte nur noch der Nachhall von Ereignissen, die mal mehr, mal weniger bedeutsam für das betroffene Individuum gewesen waren. Hier gab es die Imprints bloßer Reisender, die den Strahl als Transportmittel benutzt hatten, ebenso wie die nie verwehenden Spuren Verdammter, die der Strahl ins Verderben gerissen hatte - gegen ihren Willen und ohne Aussicht auf ein glückliches Ende.
    Als er bei der schönen Schlafenden ankam, fragte er sich sofort wieder, welches Leben sie für immer verloren haben mochte. Woher kam sie, wohin hatte sie gewollt?
    Es ist bedenklich. Du solltest umgehend einen Heiler konsultieren. Oder einen Mediker der Städter, der Maschinen hat, um die Funktionstüchtigkeit deines Gehirns zu prüfen. Irgendetwas läuft hier schief. Der Anblick dieser Frau stößt Gedanken in dir an und löst Gefühle aus, die du dringend einer Klausur unterziehen musst!
    Er wusste, dass die mahnende Stimme seines Unterbewusstseins nichts anderes sagte als die nackte Wahrheit. Er benahm sich seltsam, er dachte seltsam, und er fühlte seltsam.
    Er musste den Rückzug antreten, musste erst wieder mit sich selbst ins Reine kommen, bevor er das nächste Mal das Wagnis einer Weltenwanderung auf sich nahm…
    Die Vernunft obsiegte.
    Obwohl er wieder das Empfinden hatte, erst reale Widerstände niederkämpfen zu müssen, ehe er sich aus dem Flugzeug lösen konnte.
    Fast panisch floh sein Geist zurück in seinen Körper. Es war eine Tortur, sich dort wieder zurechtzufinden. Auf nie zuvor erlebte Weise stand er immer noch neben sich, als er aus der gesicherten und dem normalen Publikumsverkehr unzugänglichen Zone des Mie-Kraters wankte und alle Fragen nach seiner Befindlichkeit abwiegelte.
    Erst als er neben Lobsang, seinem besten Freund, in den gemieteten Gleiter stieg, wich die Spannung, die ihn bis dahin aufrecht gehalten hatte, aus seinem Körper. Er sackte regelrecht in sich zusammen.
    »Grau!«, hörte er Lobsang rufen.
    Dann verwischten Töne und Konturen, und er fand den ersehnten Frieden in einer tiefen Ohnmacht.
    ***
    11. April 2526, Raumschiff CARTER IV
    Aruula erwachte… und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Mit ihr. Mit dem Schiff, auf dem sie sich befand.
    Die Stille lag wie eine bleierne Haut auf allem, was das Auge erfasste.
    Verstört richtete sich die Barbarin auf. Sie erinnerte sich gut daran, wie ihr Bett, in dem sie sich schlafen gelegt hatte, ausgesehen hatte. Das geträumte Bett, wie Maddrax es sich vorstellte, denn sie befanden sich nach wie vor in der Traumkammer der CARTER IV - und somit in dem Trugbild eines Privatbunkers irgendwo in den USA, wie man Meeraka früher genannt hatte. [1]
    Das Gebilde, in dem sie jetzt zu sich kam, hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit jenem Bett. Wie die Ranken eines monströsen Rosenstrauchs hatten sich Dornenfesseln darum geschlungen. Aruula konnte sich nicht einmal aufrichten, weil sich dann Metallzähne in ihre Haut und in ihr Fleisch gegraben hätten. Stacheldraht, so dick wie ein Daumen, hatte einen irrwitzigen Kokon um Aruula geflochten.
    »Maddrax…?«
    Durchlebte er gerade einen Albtraum, der ihr Umfeld so schrecklich verändert hatte? Glaubte er sich zurück am Uluru, wo er mit Daa'tan kämpfte und von Dornenranken eingesponnen wurde?
    Eigentlich, so hatte Clarice Braxton versichert, sollte er in seinem »Schlafschlaf« - Aruula hatte dem bizarren Zustand, wenn Maddrax in seinem Traum einzuschlafen glaubte, diesen Namen gegeben - gar nicht träumen können. Aber was sonst hätte diese Veränderung bewirken sollen?
    Aruulas Stimme schien von dem schwarzen Gespinst aufgesogen und vollständig absorbiert zu werden. Sie vermochte nicht einmal ihren eigenen Herzschlag zu hören, und wahrscheinlich hatte sie sich nur eingebildet, dass ein vernehmlicher Ruf nach dem Geliebten über ihre Lippen gekommen war. Nicht nur jedes Geräusch, sondern auch alles, was sich in ihrem Gedächtnis befand, schien von dem Geflecht aufgesogen zu werden.
    Ich träume das, nicht Maddrax! Das kann nicht die Realität sein! , schoss es ihr durch den Kopf, und sie klammerte sich an den Gedanken. So fest, dass sie sich auf seltsame Weise zwingen konnte, es selbst zu glauben.
    Die Dornen lösten sich von ihr. Rückstandslos verschwanden sie in den unsichtbaren Knospen, aus denen sie zuvor gewuchert waren. Der kleine Bunkerraum gewann seine Normalität zurück. Zumindest
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