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261 - Ein falscher Engel

261 - Ein falscher Engel

Titel: 261 - Ein falscher Engel
Autoren: Christian Schwarz
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wirklichen Aynjel längst gefunden hast? Ich bin es! Denn ich beschütze und leite dich. Ist es nicht so?«
    Ninian nickte zögerlich. Sie spürte, wie die Worte in ihr zu arbeiten begannen, schon wieder ihren Willen unterhöhlten. Wie konnte sie gegen die Allmacht des Herrn und sein Allwissen bestehen…?
    Nein, sie wollte es nicht mehr hören. Ihr Aynjel war Rulfan. [1]
    Rulfan!
    Abrupt drehte sie sich um und ging zur Tür.
    Dem schweren Schnauben hinter ihr folgte ein schabendes Geräusch. Blitzschnell ging Ninian in die Knie, drehte sich dabei um hundertachtzig Grad. Das Schwert des Herrn stieß über sie hinweg und bohrte sich in die Wand. Traumhaft sicher zog Ninian das Messer aus den Riemen um ihren Körper und stieß es von unten durch das Sonnengeflecht ins Herz ihres Herrn . Als er schwer auf den Boden schlug, war er bereits tot.
    Ninian fühlte sich elender als je zuvor, auf seltsame Weise aber auch befreit. Sie tötete die beiden Leibwächter, die ins Zimmer stürmten, mit der ihr eigenen Leichtigkeit. Dann ging sie nach unten und erwürgte Memm mit der Drahtschlinge, die ebenfalls zu ihrer Ausrüstung gehörte. Sie tat es nicht gerne. Aber Memm würde reden, wenn die Männer des Herrn sie befragten. Auf der Suche nach ihrem Aynjel aber konnte sie keine Bluthunde gebrauchen, die sich auf ihre Fährte setzten.
    Einen Moment starrte Ninian auf die Leiche der Schwarzen, die mit heraushängender blauer Zunge vor ihr lag. Auch wenn sie Memm gemocht hatte, empfand sie keine Gewissensbisse. Das Leben hatte keinen Wert – nur einen Preis, den jeder zu bezahlen hatte.
    So hatte der Herr es sie gelehrt.
    Ninian durchsuchte das Haus, tötete dabei drei weitere Bedienstete und zog schließlich mit derart vielen Bax ( Kreditkarten aus der Zeit vor Kristofluu, offizielles Zahlungsmittel in Meeraka ) ab, dass sie ganz Waashton hätte kaufen können. Für sie waren die Bax aber nur Mittel zum Zweck. Schon die Fahrt über das Meer nach dem sagenhaften Britana würde sicher eine Menge kosten.
    Noch konnte sich Ninian nicht auf die Suche nach ihrem Aynjel und die neu gewonnene Freiheit freuen. Der Tod ihres Herrn , aber nur dieser, bereitete ihr schwerste Gewissensbisse. Von dieser unglaublichen Schuld würde sie wohl nur ihr Aynjel endgültig erlösen können, niemand sonst…
    Ninian fand in die Gegenwart zurück.
    Fast sechs Sommer lang war sie kreuz und quer durch Britana gezogen, ohne ihrem Aynjel wirklich nahe gekommen zu sein. Immerhin hatte sie seinen Namen – Rulfan – das eine oder andere Mal gehört. Doch immer wenn sie sich hoffnungsfroh auf seine Spur gesetzt hatte, hatte sich diese irgendwann wieder verloren.
    Doch sie war fest entschlossen, nicht aufzugeben. Niemals! Irgendwann würde sie Erfolg haben.
    Wenn Ninian keine Mittel zum Leben mehr hatte, nahm sie hin und wieder Aufträge jener Art an, wie sie sie schon immer erledigt hatte. Oder sie verdingte sich als Kämpferin, so wie in der Gilde der Exekutoren, in die sie vor knapp einem Sommer eingetreten war.
    Ninian spürte schmerzhaft, dass der Gedanke an den Herrn sie noch immer peinigte; vielmehr die Schuld, die sie auf sich geladen hatte. Es wurde Zeit, dass sie ihren Aynjel endlich fand. Sie wollte auch in Frieden mit sich selbst leben.
    ***
    »Ich möchte dir danken, dass du Emryys so unterstützt«, sagte Nimuee und lächelte Rulfan an – zum ersten Mal, seit sie sich in Schottland wiederbegegnet waren.
    Der Albino wurde etwas verlegen. Zumal er sah, dass Nimuees Lächeln auch ihre Augen erreichte und damit wohl ehrlich gemeint war. Er wusste in diesem Moment nicht, wie er sich verhalten sollte.
    »Äh, bitte, keine Ursache, das mache ich doch gerne.« Seine Stimme klang so kratzig, dass er sich kurz räuspern musste. Er lächelte zurück und drückte die dargebotene Hand der jungen Frau.
    Fasst sie allmählich doch Vertrauen zu mir? Beginnt sie mir zu verzeihen? Wudan sei Dank. So oft, wie wir uns in den nächsten Monaten und Jahren noch über den Weg laufen werden, wäre das doch mehr als anstrengend geworden…
    Immerhin hatte Rulfan in ihren Augen schwere Schuld auf sich geladen. Vor einigen Jahren hatte er nämlich bei Stonehenge König Arfaar erschossen, einen charismatischen Jugendlichen, der ganz Britana hatte einen wollen. Nimuee war nicht nur Arfaars engste Vertraute gewesen, sie hatte ihn wohl schon als Kind gekannt, denn beide stammten aus der Gegend hier. Vor einigen Wochen hatte Rulfan, seinerzeit in Begleitung von Matt und Aruula,
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