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261 - Ein falscher Engel

261 - Ein falscher Engel

Titel: 261 - Ein falscher Engel
Autoren: Christian Schwarz
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ohne Eskorte durch die langen Gänge und Treppenhäuser der Freesa-Burg gehen. Noch immer zitternd vor Wut starrte er zum riesigen Fenster des ehemaligen Rittersaals hinaus. Das mächtige Holzfeuer, das gemütlich im offenen Kamin neben ihm knisterte und große Hitze verbreitete, vermochte ihn trotzdem nicht zu wärmen. Denn er fror von innen her.
    Sein Blick schweifte über den zugefrorenen See und die schroffen, tief verschneiten Berge ringsum. Um die Burg, die sich auf einem steilen Hügel erhob, gruppierten sich etwa siebzig flache Stein- und Holzhäuser. Dicker Rauch zog aus den meisten Kaminen und mischte sich mit den wirbelnden Schneeflocken, die vereinzelt aus den tiefgrauen Wolken fielen. Wenn er nach rechts unten schaute, konnte Gallo einen Teil der Deestyl sehen, die direkt an die Burg angebaut war. Einen Moment lang sah er den sieben Männern zu, die Säcke voller Torf von einem Wakudagespann luden und sie in die Deestyl schleppten. Der Torf stammte aus den umliegenden Mooren und war der beste weit und breit. Er hatte dafür gesorgt, dass der Freesa-Uisge über die letzten Jahrzehnte hinweg immer die Nummer eins auf dem Markt gewesen war. Und nun…
    Motorgeräusche wurden hörbar. Kurz darauf rasten die drei Schneemaschiins der Exekutoren den steilen Burghang hinunter.
    Dank der Skier mussten sie sich nicht an den schmalen Weg halten, der vom Dorf zur Burg hoch führte. Schnee stob in hohen Wolken auf, als die Maschiins scheinbar mühelos durch die Wehen pflügten und dabei ein Wettrennen zu veranstalten schienen.
    Die Freesas, die sich zwischen den Hütten und Häusern bewegten, sprangen erschrocken zur Seite, als die Maschiins rücksichtslos durch das Dorf preschten. Unter dem Vieh, das etwas abseits auf einer Wiese in der weißen Pracht nach etwas Essbarem wühlte, brach Panik aus. Zwei Wakudabullen durchbrachen die Holzzäune und galoppierten durch die Siedlung. Dabei nahmen sie eine junge Frau auf die Hörner. Sie wurde durch die Luft gewirbelt, knallte auf den Boden und blieb regungslos liegen. Der Schnee um sie herum färbte sich rot. Ein paar Freesas rannten zu ihr hin und beugten sich über sie.
    Gallo schrie vor Hass. Denn nichts anderes mehr empfand er in diesem Moment. »Ihr anderen – raus hier«, schnaufte er, als die Schneemaschiins über den See gefahren waren und in der Ferne verschwanden. »Lees, du bleibst bei mir. Mir ham was zu bequatschen.«
    ***
    Kurz zuvor
    Der fette, aufgeblasene, wie eine Taratze stinkende Chieftain, der sich Gallo nannte, beeindruckte Ninian nicht im Geringsten. Er ging neben Alastar, als er sie durch die Burg führte, und machte dabei den Glesgoer Stadtherren schmierige Komplimente.
    Natürlich. Er hat noch keine Ahnung, was wir hier wollen, was gleich auf ihn zukommt…
    Dabei kannte Gallo keinen Einzigen von ihnen. Niemand kannte die Reenschas, nie hatte jemand einen von ihnen gesehen. Die Anweisungen, die sie gaben, die Gesetze, die sie erließen, wurden durch Boten überbracht. Aber auch die, dessen war sich die Exekutorin sicher, hatten nie einen zu Gesicht bekommen. Ihre Kompromisslosigkeit machte die Reenschas berüchtigt, ihre Unsichtbarkeit und ihre allmächtige Präsenz geradezu legendär. Denn wer in Glesgo schlecht über sie sprach, konnte sicher sein, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben. Die Reenschas schienen ihre Augen und Ohren überall zu haben.
    Sie gingen etwa eine viertel Sanduhr lang durch die breiten und gleichermaßen hohen Gänge der Burg, die kein Ende zu nehmen schienen. So eine große Anlage hatte Ninian bis jetzt noch nirgendwo gesehen. Nicht einmal in Glesgo. Und in Meeraka schon gar nicht. Sie war beeindruckt.
    Endlich erreichten sie ihr Ziel. Zwei Freesas öffneten eine mächtige zweiflügelige Tür aus dunklem, gehärteten Holz, die oben rund zulief und auf der ein buntes Wappen prangte.
    »Kommt rein in den schönsten Saal meiner Burg«, sagte Gallo, deutete eine Verbeugung an und machte mit dem rechten Arm eine einladende Geste. »Hierher gehe ich nur mit den wirklich wichtigen Leuten.«
    Ninian betrat hinter Alastar den Saal. Er war ebenfalls riesig, genauso wie der Tisch in der Mitte. Die Fensterfront eröffnete einen prächtigen Blick auf die verschneite Landschaft draußen. Doch Ninian streifte das Landschaftspanorama nur mit einem flüchtigen Blick.
    Denn das letzte Fenster links zog die Blicke der rothaarigen Exekutorin wie magisch an. Sie blieb stehen, als sei sie gegen eine Wand gelaufen, erstarrte förmlich, und
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