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25 Stunden

25 Stunden

Titel: 25 Stunden
Autoren: David Benioff
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Kontrakte?«
    »Ja. Wieso, bist du nervös?«
    »Es schmeckt mir nicht«, sagt Lichter. »Die Arbeitslosenzahlen sind jetzt drei Wochen lang gefallen.«
    »Und deshalb denken natürlich alle, wenn die gefallen sind, dann müssen massenhaft neue Arbeitsplätze geschaffen worden sein.«
    »Ja, genau«, sagt Lichter. »Weil sie damit fast immer richtig liegen.«
    Slattery winkt seinem Supervisor mit dem Finger. »Fast immer. Aber diesmal nicht. Ich hab da eine Theorie.«
    »Ach Klasse, du hast eine Theorie. Jeder Trottel hat eine Theorie, Frank. Wie man beim Blackjack absahnt, wie man aufs richtige Pferd setzt, wie man den Aktienmarkt aushebelt. Ich hab auch eine Theorie. Willst du sie hören? Sie geht so: Theorien sind Schwachsinn. Tu mir einen Gefallen. Halbiere deine Einlage, ja?«
    »Du willst, dass ich fünfhundert Kontrakte abstoße?«
    »Fünfhundert? Du hast tausend davon?«
    Slattery nickt langsam. »Richtig, Boss. Bist ein schneller Rechner.«
    »Zu hunderttausend das Stück? Oh Mann, Frank, dir steht das Wasser ja bis hier...«
    »Wieso? Sie haben mich auf hundert Millionen angehoben. Du willst mir doch wohl nicht...«
    »Vor einer Woche«, sagt Lichter. »Sie haben dein Limit vor einer Woche erhöht, und du hast es schon voll ausgeschöpft.«
    »Ja, wozu kriegt man denn ein Limit, wenn man es nicht ausschöpfen darf?«»Jetzt hör mir mal zu. Halbiere deine Einlage. Ja? Du hast großartige Arbeit geleistet hier, das wissen alle. Sie haben ein Auge auf dich. Ein paar Monate noch vielleicht, und ich darf dir den Kaffee bringen, kann sein. Aber noch bin ich dein Supervisor, und ich sage: Stoß sie ab, diese Kontrakte.« Er drückt Slattery die Schulter, dann geht er, allseits einen guten Morgen wünschend, zu seinem Büro weiter.
    Über die Trennwand vor Slattery guckt Marcuse. »Mach lieber los, Sonnyboy.«
    Slattery sagt nichts, sondern hackt wütend auf seine Tastatur ein, ruft weitere Tabellen und Schaubilder auf. Aber Marcuse bleibt, wo er ist, das Kinn auf die Trennwand gestützt; ein zeitgemäßes Kilroy-Gesicht. »Ich seh dich nicht zum Hörer greifen«, sagt er. »Hat Lichter nicht gerade gesagt, du sollst verkaufen? Hört sich an, als hätten sie dir das Taschengeld gestrichen.«
    Slattery kneift die Augen zusammen, studiert aber weiter die Bildschirme und weigert sich, die Sticheleien zur Kenntnis zu nehmen. Marcuse lässt sich davon nicht abschrecken. »Du willst dich doch wohl nicht einer ausdrücklichen Anweisung widersetzen, oder? Könnte dir immerhin den Bau einhandeln. Für so was brummen sie einem glatt ein paar Jahre Küchendienst auf.«
    »Kannst du mich jetzt vielleicht mal in Ruhe meine Arbeit machen lassen? Ich steh ja auch nicht plötzlich bei euch im Schlafzimmer und erzähl dir, wie du deine Frau ficken sollst, oder?«
    Marcuse tut so, als wische er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ich dachte, du magst meine Frau.«
    »Ich mag deine Frau ja auch. Aber die Tatsache, dass sie ausgerechnet dich geheiratet hat, spricht schwer gegen sie.«
    »Wir sind wohl ein bisschen gereizt heute, was, Frank? Hey, ich bin auf deiner Seite. Wir arbeiten schließlich alle im selben Team, stimmt's?«
    Slatterty rollt in seinem Stuhl zurück und sieht zu Marcuse hoch. »Ich bin zum Arbeiten hier, also tu mir einen Gefallen, ja? Tu mir einen Gefallen und halt die Klappe. Eskommt, wie es kommt; ob du nun deinen Senf dazugibst oder nicht.«
    »Du hast's erfasst, Frank«, sagt Marcuse mit einem Zwinkern. »Mach ihnen die Hölle heiß.«
    Wenn alles schief geht, denkt Slattery, dann spring ich über diese Trennwand rüber, brech ihm drei Rippen dabei und tröste mich damit, ihn so lange mit den Fäusten zu bearbeiten, bis der Sicherheitsdienst kommt und mich rauswirft. Die anderen hier auf dem Stockwerk würden sich nie einmischen. Marcuse ist weithin verhasst, bei den Empfangsdamen ebenso wie in der Chefetage, was er aus Unternehmenssicht jedoch damit ausgleicht, dass er ein ausgewiesener Profitmacher ist. Selbst wenn es sich um Charlie Manson handeln würde - hätte er ein Händchen für Aktien oder Obligationen, würde ihn jedes Haus an der Wall Street mit Sonderkonditionen umgarnen.
    Slattery macht die Augen zu und kneift sich in den Nasenrücken. Ihm ist das Fatale an diesen Gedanken durchaus klar - lass dich nie durch Persönliches von den Zahlen ablenken -, aber wie ignoriert man einen Marcuse, jemanden, der davon überzeugt ist, dass sein Aufstieg von deinem Sturz abhängt? Da wäre es doch
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