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2285 - Tag der Verkündung

Titel: 2285 - Tag der Verkündung
Autoren: Unbekannt
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Schicksal.
    Ich wurde mit zu wenig Wissen und Analysevermögen ausgestattet, um gänzlich nachvollziehen zu können, weshalb Gon-Orbhon die drei auf Parrakh gefassten Spione nicht längst liquidieren ließ. Sie sollen bei den Terranern sehr populär sein; eventuell will er sie bei Bedarf als Faustpfand gebrauchen, um die Menschheit zu erpressen.
    Nach den mir vorliegenden Informationen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sich dies als notwendig erweisen könnte, im Promillebereich. Mein Gott beherrscht die Erdbewohner vollkommen, sowohl mental als auch militärisch.
    Jeglicher Widerstand wurde im Keim erstickt. Es existiert kein Faktor im gesamten Sonnensystem, der Gon-Os Dominanz auch nur ansatzweise erschüttern könnte.
    Gleichwohl werden der Vierarmige, der Pelzige und der Terraner am Leben gehalten, bis absolut sicher feststeht, dass sie keinerlei nützliches Potenzial mehr aufweisen. Dann kann man sich ihrer entledigen. Ein einziges Wort meines Herrn an die Motoklone und das Heer der Techniten genügt.
    Vorerst noch scheint Gon-Orbhon die gelegentlichen Dispute mit dem Humanoiden zu genießen.
    Der Angehörige der Führungselite seines Volkes ist, dank eines Zellaktivatorchips in der Schulter, ebenfalls biologisch unsterblich.
    Ihn deswegen als gleichrangig, -berechtigt oder gar -wertig zu betrachten wäre allerdings ein Sakrileg: Es gibt keinen Gott außer Gon-O. „Hier bin ich", sagt der Terrraner überflüssigerweise, nachdem wir die Kammer betreten haben.
    Gon-Orbhon erhebt sich. Sie stehen einander gegenüber, in ihrer Gestalt verblüffend ähnlich und doch so verschieden wie Tag und Nacht, Perfektion und Schadhaftigkeit, Macht und Ohnmacht.
    Der eine die personifizierte Vollkommenheit, ein makelloser Hüne, geballte Autorität ausstrahlend. Der andere, wohl auch gemäß seinen eigenen Schönheitsidealen, bestenfalls Mittelmaß, nachlässig im Äußeren wie in der Haltung, seine Mankos durch halbstarke Dreistigkeit kompensierend. „Nicht mehr lang bis zum Tag der Verkündung", sagt Gon-Orbhon, die Arme vor der Brust verschränkt, mit lauter, Ehrfurcht gebietender Stimme. „Wie, meinst du, sollen wir uns entscheiden? Erweisen sich deine Terraner als würdig, Gon-Os Volk zu werden?"
    „Es sind nicht meine Terraner. Ich gehöre zu ihnen, doch sie gehören mir nicht - wie sie auch dir niemals gehören werden", antwortet patzig der im direkten Vergleich so erbärmlich schäbig Wirkende. „Im Übrigen: Warum fragst du ausgerechnet mich? Wieso holst du dir nicht Carlosch Imberlock als Diskussionspartner, deinen ach so eifrigen Propheten?"
    Er versucht zu provozieren. Auch ihm ist inzwischen bekannt, dass niemand den Quarzstock betreten darf, kein Jünger, kein Arveze, kein Kybb. Ein Steg aus schwarzem Kunststoff verbindet die Pforte zum Groß-Relais mit dem Tempel der Degression, doch wer den Fuß darauf setzte, würde augenblicklich getötet.
    Großmütig geht Gon-Orbhon über den Affront hinweg. „Zuweilen schätzen wir Gegenrede. Ich wurde dahin gehend ausgebildet, auch konträre Ansichten zu würdigen. Gon-O ist kein Tyrann.
    Seine Strenge entspringt seiner höheren Weisheit."
    „Wir, ich, er ... Man könnte glatt meinen, du wärst dir nicht ganz sicher, wer oder was du eigentlich bist."
    Eine weitere Impertinenz. Der ehemalige Schutzherr Gon-Orbhon wurde körperlich ins Solsystem entsandt als Statthalter und Vollstrecker. Eine real anwesende Person vermag viel präziser die Lage zu erkennen und zu beeinflussen, als dies auf rein mentalem Wege möglich wäre. Doch obwohl Gon-Orbhon sich rund 170.000 Lichtjahre von Satrugar entfernt befindet, ist er unteilbar eins mit dem Nocturnenstock und bildet auch weiterhin mit ihm zusammen den Gott Gon-O. „Willst du erneut an das appellieren, was du in deiner beschränkten Weltsicht Vernunft nennst?", weist mein Herr den Gefangenen in die Schranken. „Ich warne dich davor, uns durch die Wiederholung von Argumenten zu langweilen. Dein Leben ist wenig wert, und ich halte es in meiner Hand. Hum tjorgendai d'lü schlö zwajni..."
    Er zitiert etwas in einer Sprache, die nicht in meinen Speichern aufscheint. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass er sie soeben erst erfunden hat; derlei Anwandlungen kommen immer wieder vor. Ich werte sie als Ausdruck seiner Genialität. „Wenn du meinst ...", sagt der Terraner, nachdem Gon-Orbhon geendet hat, und gähnt. „Jedenfalls ärgert und fasziniert dich zugleich, dass du Gucky, Tolot und mich nicht
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