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2254 - Der ewige Gärtner

Titel: 2254 - Der ewige Gärtner
Autoren: Unbekannt
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das aussah wie für das Leben auf dem Boden geschaffen. Er versorgte die Wunden der Bäume, schloss die tiefen Risse in ihrer Rinde, glättete sie und entfernte die Parasiten, die sich vom Saft der stolzen, alten Gewächse ernährten. Vor allem sie, die Alten und Weichenden, brauchten seine stetige Pflege. Unter ihren Wipfeln sprossen die Jüngeren, die Keimenden und die Strebenden, die aus ihren Samen hervorgegangen waren und sie einmal ablösen würden, bis auch sie von der Zeit eingeholt wurden und da. hinschwanden Es war ein ewiger Kreislauf. Orrien Alar erlebte das Kommen und Vergehen mit, immer wieder, denn er lebte für immer und alle Zeit. Es widersprach allen Gesetzen der Schöpfung. Was geboren wurde, trug bereits den Keim des Todes in sich. So war es überall in der Welt - nur nicht bei ihm.
    Oh ja, er kannte es auch, das Älterwerden, die Schwäche des Körpers, die immer größer wurde, je mehr Jahre vergingen. Auch er wich, wenn seine Zeit gekommen war, aber darüber machte er sich inzwischen schon längst gar keine Gedanken mehr. Noch während Orrien wich, strebte Orrien wieder nach draußen, der neue Leib wurde neu geboren, während der alte Körper noch nicht tot war. Es wiederholte sich immer wieder, er wusste nicht mehr, wie oft schon. Er hatte lange aufgehört, es zu zählen.
    Auch die Zeit, als er sich noch mit der Frage quälte, wann dieser immer wiederkehrende Zyklus einmal angefangen hatte, war lange vorbei. Jene Zeit, als Uralt Trummstam noch im Hof des Domes Rogan lebte und von ihm gehegt und gepflegt wurde.
    Er wusste nicht, wann oder auch nur wie alles begonnen hatte. Ob er immer schon gelebt hatte, beim ersten Atemzug der Schöpfung, oder irgendwann in düsterer Vergangenheit zum ersten Mal geboren worden war. Er wusste, dass er darauf keine Antwort bekommen würde. Er hatte viel Zeit gehabt zu lernen, mit seiner Einsamkeit zu leben. Er hatte sich daran gewöhnt, das Weichen der Geschöpfe zu ertragen und das Entschwinden alter Freundschaften zu beklagen. Und dennoch ...
    Ich muss warten, sagte er sich immer wieder, obwohl der Drang, zum Dom zu gehen, mit jeder verstreichenden Stunde größer wurde. Er arbeitete wie ein Besessener, stampfte und kletterte von Baum zu Baum, nur um nicht daran denken zu müssen - und seine Ungewissheit zu betäuben. Aber ganz gelang es ihm nie. Etwas kam auf ihn zu, auf ihn und seine Welt. Sollte er wagen zu hoffen?
    Am Abend war er so erschöpft, dass er sich zu einer Astgabel zurückzog, in der er oft schlief, obwohl er nicht weit von hier eine kleine Hütte besaß, die er aus abgestorbenen Ästen und Lianen über einer Wurzelhöhle errichtet hatte. Dort lagerten Vorräte, und sein Funkgerät ruhte sicher im Dunkel, seit Ewigkeiten unbenutzt, denn es gab niemanden mehr, den er damit hätte erreichen können und wollen. Aber trotz aller Geborgenheit der Wurzelhöhle, er hätte in ihr keine Ruhe gefunden. Er wollte draußen sein, durch nichts von der Welt getrennt, und fühlen, was geschah.
    Selbst jetzt, als die untergehende Sonne doch ihre letzten Strahlen durch die kurz aufreißenden Wolken schickte, schwieg der Wald. Das Konzert der Vögel, mit dem sie sonst jeden weichenden Tag verabschiedeten, blieb aus. Keine Nachtjäger erwachten zum Leben, um auf Beutefang zu gehen. Die Welt schwieg und wartete.
    Irgendwann schlief der ewige Gärtner ein. Er erwachte einige Male und drehte sich in der Gabel. Immer wieder suchten ihn wirre Träume heim, zeigten ihm Gesichter aus der Vergangenheit, aus der glücklichen Zeit vor dem Ende der Ewigkeit. Die Bilder drangen auf ihn ein, und er hörte Worte, die er nicht verstand.
    Als endlich der neue Tag anbrach, fühlte er sich ausgezehrt. Sein Körper war steif, wie verholzt. Es dauerte eine Weile, bis er wieder die Kraft fand, auf den moosbewachsenen Boden hinunterzuklettern und ein letztes Mal tief Atem zu holen, bevor er sich auf den Weg machte, an dessen Ende vielleicht wieder, wie so oft zuvor, die große Enttäuschung stand. Oder aber...
    Es wurde nicht richtig hell und regnete ununterbrochen. Orrien Alars Schritte wirkten schwerfällig, als er nach Westen ging. Er scheuchte ein kleines Tier auf, das sich im hohen Gras versteckt hatte, das zwischen dem alles bedeckenden Moos in Büscheln wuchs. Es huschte davon und verschwand in einem Dickicht. Andere Bewohner des Waldes, etwas mutigere kleine Nager, streckten halb neugierig, halb ängstlich die Köpfe aus ihren Löchern und warfen scheue Blicke um sich.
    Vor
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