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224 - Im Turm des Warlords

224 - Im Turm des Warlords

Titel: 224 - Im Turm des Warlords
Autoren: Ronald M. Hahn
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zeigten ein breites Grinsen, als wir sie an den Ledersäckchen lauschen ließen, in denen unsere Silbermünzen klingelten. Im Nu waren wir im Inneren des für diese Zeit und diesen Teil der Welt großartigen Prachtbaus und wurden, kaum dass wir ihn betreten hatten, von Damen umgarnt, die gar keine waren.
    Yann, als Seemann in den Gossen dieser Welt herumgekommen, zog es sofort dorthin, wo die geistigen Getränke waren. Er bestellte zwei Gläser Irgendwas, schaute sich dann um und riet mir, das Gleiche zu tun.
    Die Lokalität war von einem Architekten mit Phantasie entworfen worden: Der Raum war so rund wie der Tresen in der Mitte und ähnelte einer Grotte. In den Wänden gab es kleine und große Nischen: In den großen saßen Menschen an Tischen, die gewiefte Künstler aus rohen Baumstämmen gemacht hatten. In den kleinen Nischen standen dicke rote Kerzen in irdenen Behältnissen und bemühten sich, die Umgebung so weit zu erhellen, dass man sein Getränk in den Mund und nicht aufs Hemd kippte.
    Die Gäste waren ein Sammelsurium aus ange- und betrunkenen Seeleuten, Söldnern, Flibustiers, Dämonenbeschwörern, Drogenhändlern, Kopfjägern und bösartig kichernden Pseudo-Huren, die darauf warteten, dass sie jemanden in die Fänge kriegten, damit sie ihm eine Falle bauen und seine Börse plündern konnten. Hinter der Theke standen Typen, die 2011 in keiner Diskothek aufgefallen wären: glatzköpfige Muskelmänner, deren Intelligenzquotient die Körpertemperatur nicht übertraf.
    Während sich Yann bemühte, jemanden zu finden, der ihm Auskunft über den Verbleib seiner Freundin geben konnte, wankte stieren Blickes ein großes glatzköpfiges, kräftig aussehendes und einen kupfernen Nasenring tragendes Subjekt auf mich zu, plusterte sich auf und fauchte: »Watt willste?«
    Ich machte lautlos Puh, denn ich war nicht hergekommen, um mich provozieren zu lassen. Also ignorierte ich ihn, was ein Fehler war: Sekunden später umklammerten seine Hände meinen Hals und er fing allen Ernstes an, mich zu würgen. Die anderen Gäste griffen nicht etwa ein: Sie machten Platz, um den Zorn des nach Alkohol stinkenden Kerls nicht auch noch auf sich zu ziehen.
    Glücklicherweise waren in dieser Zeit nach »Christopher-Floyd« nicht nur die guten Manieren in Vergessenheit geraten, sondern auch das Wissen um Nahkampftechniken, wie man sie bei der US Air Force lernt. Meine letzten Trainingseinheiten lagen zwar schon knapp neun Jahre zurück, aber ich erinnerte mich ganz gut daran, welche Stelle seines Halses meine Handkante treffen musste, um ihn auf die Bretter zu schicken.
    Dort landete er dann auch, so unspektakulär, dass die meisten Gäste die Rangelei nicht einmal mitbekommen hatten. Der Riese küsste den mit Sägespänen bedeckten Boden und blieb bewusstlos liegen, während ich mich aus seiner Nähe entfernte und auf die andere Seite des runden Tresens ging.
    Obwohl es in dem Gewimmel schwierig war, bemühte ich mich, Yann im Auge zu behalten, der mal hier und mal dort stand und sich die Sympathie der Trunkenbolde und Damen mit Getränken erkaufte. Ich brauchte fast zehn Minuten, bis ich in seine Nähe kam. Die Katzenmusik der aufspielenden Band war daran nicht unschuldig: Unter ihrem Einfluss fingen manche Gäste spontan an, sich auf der Stelle zu drehen, was nicht ungefährlich war, da sie ihre Humpen dabei nicht aus der Hand legten.
    Als ich Yann fast erreicht hatte, sprach er gerade mit einer dürren glatzköpfigen Bedienung, deren Nase, Unterlippe und Ohren von Altmetall geziert wurden. Sie erweckte den Eindruck, dass Yann ihr trotz seines ungewöhnlichen Aussehens sympathisch war, doch ich glaubte ihr anzusehen, dass sie sich vor der muskulösen Amazone fürchtete, die sie und die anderen Tresengirls befehligte. Als die Amazone sah, dass Yann die junge Glatze mit Beschlag belegte, riss sie sie beiseite und blökte irgendetwas in Yanns Richtung, das nicht freundlich klang.
    Yann blökte zurück, und die Amazone beugte sich über den Tresen und versetzte ihm einen Haken, der ihn nur deswegen nicht umwarf, weil in diesem Augenblick der Rüpel hinter ihm auftauchte, den ich zuvor auf die Bretter geschickt hatte. Sein Gesicht war blau angelaufen, er japste nach Luft, und mir war sofort klar, wen er suchte: mich.
    Als er mich entdeckte, blitzte es in seinen Augen auf. Er schubste Yann gegen den Tresen und bahnte sich eine Gasse durch die Reihen der trinkenden, plappernden und auf der Stelle hüpfenden Gäste. Dabei gab es natürlich
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