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224 - Im Turm des Warlords

224 - Im Turm des Warlords

Titel: 224 - Im Turm des Warlords
Autoren: Ronald M. Hahn
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wirken. Mir fiel ein, dass die meisten Madagassen meiner Zeit von afrikanischen und indischen Migranten abstammten.
    »Was haltet ihr von denen?« Ich winkte freundlich nach unten, damit uns niemand für die Vorhut irgendwelcher Invasionstruppen hielt.
    Aruula zuckte die Achseln und deutete auf die schwarze Burgruine, zu der unser Landeturm gehörte. »Sie sehen zwar friedlich aus, aber irgendjemand muss diese Burg in Brand gesteckt haben.«
    »Vielleicht hat der König im Bett geraucht«, feixte ich.
    Yann, der lange Monate auf Madagaskar gelebt hatte, nickte jovial. »Krumme Hunde gibt es zwar überall, doch in der Regel sind die Menschen hier friedlich – solange man nicht anmaßend daherkommt oder sie missionieren will.«
    Seine Aussage deckte sich nicht unbedingt mit meinen Erfahrungen, aber ich hatte mich ja bisher auch in anderen Teilen der Welt herumgetrieben.
    »Wo könnte Keetje untergekommen sein?«, fragte ich ihn.
    Yann wiegte den Kopf. »Wenn ich das nur wüsste. Wir waren noch nie zusammen hier… Aber de Rozier hat ihr ja beim Abschied mit einigen Goldmünzen unter die Arme gegriffen …« Er grinste. »Keetje ist nicht dumm und weiß, wie man sich durchsetzt. Vielleicht beherrscht sie ja inzwischen die Stadt.«
    Ich dachte an meine erste Begegnung mit der Göre. Sie hätte mich beinahe Kopf und Kragen gekostet. »Es ist aber auch nicht auszuschließen«, murmelte ich finster, »dass sie inzwischen die Vorsitzende des Zentralkomitees der Revolutionären Volksarmee zum Sturz des örtlichen Despoten ist…«
    ***
    Es war nicht schwierig, Aruula zu überreden, die Roziere zu bewachen: Mehr noch als wir war sie daran interessiert, mit heilen Knochen aus Ansiraana zu verschwinden. Seit Jahren zogen wir nun – meist Seite an Seite, aber auch unfreiwillig getrennt – durch die Welt. Obwohl wir uns hin und wieder ausmalten, wie es wohl wäre, wenn wir uns irgendwo niederließen, wussten wir doch, dass es uns nicht beschieden war, gemeinsam irgendwo alt zu werden.
    Aruula war eine bei den Wandernden Völkern aufgewachsene Nomadin. Ihr lag die Rastlosigkeit im Blut. Ich selbst hatte schon als Kind eine gesunde Neugier auf die Welt empfunden und mich im Gegensatz zu meinen Mitschülern, denen es schnuppe gewesen war, ob man in Spanien mit Peseten oder Piastern bezahlt und welche Sprache man in Belgien benutzte, immer für andere Länder und Kulturen interessiert.
    Dass ich zur Luftwaffe gegangen war, um Pilot zu werden, hatte weniger militaristische als abenteuerliche Gründe: Wie sonst, sagte ich mir, soll ein Junge aus der Mittelschicht es anders schaffen, kostenlos einen großen Teil der Welt zu sehen?
    Der Weg, den Yann und ich im Inneren des Turms nahmen, um auf die Ebene der Stadt zu gelangen, war freilich weniger abenteuerlich als halsbrecherisch. Meine Beobachtungen aus der Luft hatten mich nicht getrogen: Die Burg war baufällig. Ich war bei jedem Schritt versucht, in ein Gebet auszubrechen. Außerdem roch es in dem alten Steinkasten nach Mord und Brand.
    Blutflecke säumten unseren Weg. Wir kamen an übel riechenden Haufen vorbei, die sich bei näherem Hinsehen als Lumpen fast gänzlich verwester Leichen entpuppten. Scharen von Fledermäusen flatterten auf. Wo wir den Fuß hinstellten, überall knirschte und schmatzte es, denn wir zertraten Tausende von Kakerlaken und Schnecken.
    Endlich traten wir auf den Platz vor der Burg und schauten uns um. Der Sturm trieb dunkle Wolken über uns hinweg. Es war so finster wie am späten Abend. Der Wind heulte durch enge Gassen und schob Dreck, Holz, Büsche und anderen Plunder vor sich her.
    Von hier aus wirkte die Burg wie eine abgefackelte Ruine. Man konnte den Brand noch riechen. Hinter den dunklen Fensterhöhlen bewegten sich Gestalten. Die Menschenmenge, die unser Andocken beobachtet hatte, hatte sich inzwischen wieder zerstreut. Auch die den Platz umgebenden Gassen waren fast menschenleer. Dort, wo sich noch jemand aufhielt, war man damit beschäftigt, die Schlagläden fest zu zurren,
    Yann und ich überquerten den Platz in Richtung einiger Gebäude, die aus der Ferne wie Tavernen wirkten. Mein Gefühl trog mich nicht. Von Laternen erhellte Fenster, hinter denen Turbane und bunte Gewänder tragende Menschen auf Bänken an langen Tischen saßen und miteinander parlierten, wirkten nicht ungemütlich.
    Wir betraten ein Gasthaus, von dem aus man den Turm im Auge behalten konnte. Während Yann sich zum Tresen vorarbeitete, baute ich mich an einem hohen Fenster
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