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224 - Im Turm des Warlords

224 - Im Turm des Warlords

Titel: 224 - Im Turm des Warlords
Autoren: Ronald M. Hahn
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machten, war nicht zu übersehen: Unter uns trieben Menschen merkwürdig aussehende, schrill kreischende Rindviecher in Stallungen, an deren Reetdächern der Wind schon heftig zerrte. Das plötzliche Auftauchen unseres Luftschiffs trug nicht zur Beruhigung der Tiere und Hirten bei: Dass sie uns für die Unglücksboten einer finsteren Gottheit hielten, sah man ihnen an. Manch einer hielt sogar kurz in seinem Tun inne und drohte uns mit der Faust.
    Hätten die braven Leute gewusst, dass wir nur ein von den Kräften der Natur hin und her geworfenes Grüppchen waren, wäre ihre Sympathie vermutlich größer gewesen. Doch im momentanen Zwielicht mussten wir ihnen wie eine auf dem Wind reitende Bedrohung erscheinen.
    Aus einzelnen Gehöften, über die der Sturm uns hinweg warf, wurde eine Ortschaft, deren Grundriss mich an die auf dem Reißbrett entstandenen Städte meiner Heimat erinnerten: Sie war quadratisch, und ihre Gassen schnurgerade. In der Mitte befand sich ein mit großen Steinplatten ausgelegter Platz. Er umgab ein burgähnliches Anwesen, das den Anschein erweckte, vor nicht allzu langer Zeit in Flammen gestanden zu haben. An seinen Ecken ragten runde Türme auf, drei davon bloße Ruinen.
    Der vierte Turm wirkte nicht nur intakt, er war auch von einem Eisengeländer umgeben. Da der Sturm nicht den Eindruck machte, als würde er in absehbarer Zeit enden, hielt ich es für angebracht, nach einem sicheren Ankerplatz Ausschau zu halten. Da Eisengeländer sich dazu ganz vortrefflich eignen, übernahm ich nun doch das Ruder von Aruula, die sich dagegen nicht wehrte, und nahm Kurs auf den Turm.
    »Wir müssen sinken!«, rief ich Yann zu, und er überwand seine Furcht und drehte an ein paar Ventilen, die heiße Luft aus dem Ballonkörper entweichen ließen. Wir gingen tiefer.
    Als wir nur noch wenige Meter über dem Turmdach in der Luft schaukelten, öffnete Aruula die Bodenluke und nahm das Ankerseil zur Hand. Der schneidende Wind wirbelte ihre langen blauschwarzen Haare empor, während sie auf den richtigen Moment wartete. Der kam, als ich unser Fahrzeug bis auf einen halben Meter an das Turmdach herangebracht hatte.
    Ich hatte gedacht, Aruula würde den kleinen Anker werfen, und so durchzuckte mich ein heißer Schrecken, als sie durch die Luke von Bord sprang! Sie landete auf dem Rundgang des Turms, und bevor die nächste Bö uns packte, befestigte sie das Ankerseil an den Geländerstangen.
    Das Seil spannte sich. Mit einer Kurbel zogen Yann und ich das Luftschiff dichter an das Geländer heran und sicherten es durch weitere Seile, die Aruula unten festzurrte. Die Gondel schaukelte nun dicht über dem Turmdach. Der Wind zerrte noch immer an unserem Gefährt, aber ich war zuversichtlich, dass er es jetzt nicht mehr in die Luft reißen und irgendwo zerschellen lassen konnte,
    Ich schaute nach unten. Flugapparate erweckten immer schnell das Interesse örtlicher Magnifizenzen. Die meisten Mächtigen sahen in einem Luftschiff nur selten die Möglichkeit, schneller zu ihrer Erbtante zu gelangen, sondern viel eher eine gute Gelegenheit, ihren Rivalen im wahrsten Sinn des Wortes aufs Dach zu steigen. Eine Landung in unbekanntem Gebiet war deswegen immer mit einem Risiko behaftet.
    Wenn man von dem schlechten Wetter absah, schien uns aber keine unmittelbare Gefahr zu drohen. Trotzdem schaute Aruula sich argwöhnisch um: Sie war eben auch nach dem schicksalhaften Tag unseres Zusammentreffens ein Kind dieses Zeitalters geblieben. Für Menschen wie sie, die in einem rauen, lebensfeindlichen Klima aufwachsen und sich täglich mit der Frage beschäftigen müssen, ob sie bis zum Abend etwas zu essen aufgetrieben haben oder einer Riesenratte als Nahrung dienen, ist Argwohn ein ständiger Begleiter. Menschen ihrer Art senkten die Klinge erst dann, wenn sie wussten, dass ihr Gegenüber nicht mehr gefährlich werden konnte.
    Yann und ich versorgten uns rasch mit der notwendigen Ausrüstung und gesellten uns zu Aruula auf den Rundgang des Turms, wo der heftige Wind uns in Empfang nahm. Aruula hatte ihr Schwert aus der Metallkralle am Rücken gezogen, schaute übers Geländer in die Tiefe und nahm stoisch zur Kenntnis, dass sich auf dem Platz Neugierige versammelten, die mit großen Augen zu uns hinauf schauten.
    Etwa dreißig Meter über dem Boden war unsere Aussicht sehr gut: Die Ansiraaner waren dunkelhäutig, aber nicht negroid. Ich fühlte mich an deutsche Tamilen erinnert. Bunte Turbane und weite Kleidung ließen sie orientalisch
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