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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Autoren: Karl May
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Gleichgewicht nur einigermaßen wiedergefunden hatte, machte sie zunächst seine abrupte Ausdrucksweise geltend. Wir hatten uns noch nicht wieder niedergesetzt, als er in derselben zu mir sagte: „Ist eigentlich ein Festtag, ein großer Festtag heut. Möchte einen Vorschlag machen.“
    „Welchen?“ fragte ich, nun auch kurz.
    „Müssen ihn feiern, unbedingt feiern.“
    „Wodurch?“
    „Durch einen Willkommentrunk.“
    „Hier? Wo man nichts bekommen kann?“
    „Nichts? Ist großer Irrtum. Habe einen Gedanken, einen famosen Gedanken!“
    „Den möchte ich hören!“
    „Entweder Grog oder Punsch. Arak ist da, Wasser, Zucker und Feuer auch. Zitronen wird der Wirt dazu schaffen können. Einverstanden?“
    „Ja, doch nur unter der Bedingung, daß wir ihn selber brauen!“
    „Natürlich! Werde den Koch machen. Habe an der einen Bazzaka genug gehabt; mag keine wieder. Habt es wohl gesehen?“
    „Ja.“
    „Und mich ausgelacht?“
    „Ein wenig.“
    „Pfui! War schauderhaft! Werde lebenslang daran denken. Nun aber der Punsch!“
    Er wendete sich zu dem Wirt und erfuhr, daß er alle zu dem gewünschten Getränk nötigen Bestandteile haben könne und auch selbst kochen dürfe. Es war eigentlich eine kühne Idee, hier im Süden einen Grog brauen zu wollen, aber sie wurde ausgeführt. Während Lindsay sich als Küchenchef in seiner vollen Glorie zeigte und der Somali ihm die dabei nötigen Handreichungen leistete, sah der Wirt, auf seinem Kissen sitzend, ihm mit fachmännischer Neugierde zu. Ich betrachtete seine Hände und bemerkte da freilich einen Ring. Er war von Silber und die Platte schien auch wirklich achteckig zu sein; genau konnte ich es aus der Entfernung nicht erkennen; ich mußte auf eine Gelegenheit warten, der Hand näher zu kommen.
    Als der Grog fertig war, gab es keine Gläser. Da stand der Kawedschi auf, um andere passende Gefäße herauszugeben. Er brachte tönerne Becher aus einem Kasten, und ich trat schnell hin, sie ihm abzunehmen. Ich konnte dabei den Ring unauffällig betrachten. Ja, die Platte hatte acht Ecken und trug die bekannten Zeichen, ein Sâ mit einem Lâm verbunden, worüber das Verdoppelungszeichen stand. Der Mann gehörte also der geheimen Gesellschaft an; er war ein Sill.
    Das Getränk war dem Lord vortrefflich gelungen; er bot in seiner freigebigen Weise dem Wirt und dem Somali auch ihr Teil, und als er sah, wie entzückt sie von dem ihnen bisher unbekannten Labsal waren, erlaubte er ihnen, sich auf seine Rechnung eine neue Auflage zu bereiten; wie es gemacht wurde, hatten sie ja gesehen. Wir aber begaben uns, um von etwa jetzt kommenden Gästen nicht gestört zu werden, wieder in die kleine, abgesonderte Stube. Sobald wir dort beisammen saßen, tat Lindsay einen tiefen Zug aus seinem Becher und sagte, zu meiner Genugtuung in arabischer Sprache, doch auch in seiner kurzen Weise, die ich deutsch wiederzugeben suche:
    „Muß euch zunächst ein Rätsel aufgeben. Wollt ihr raten?“
    „Ich nicht“, antwortete Halef schnell.
    „Warum nicht?“
    „Weil Allah mir die Vorzüge meines Geistes und die Vortrefflichkeit meiner Seele nicht dazu verliehen hat, erst lange und ganz unnötigerweise nach etwas zu suchen, was ein anderer schon weiß und mir also doch lieber gleich sagen kann.“
    „Schön! Aber du?“
    Diese Frage war an mich gerichtet. Der Lord nannte mich, da er arabisch sprach, natürlich du. Ich antwortete:
    „Muß es denn geraten sein? Und warum Rätsel jetzt, wo wir doch wohl Besseres und Nötigeres zu reden haben?“
    „Rätsel ist auch nötig, wirst es aber wohl nicht lösen können; ist zu schwer.“
    „Na, da will ich es doch einmal hören!“
    „Gut! Es heißt: Wo komme ich her?“
    „Das ist kein Rätsel, sondern nur eine Frage.“
    „Mir auch recht. Aber kannst du sie beantworten?“
    „Nein, denn ich bin nicht allwissend.“
    „Well! So will ich es sagen: Ich war bei dir.“
    „Bei – mir –?“ sagte ich erstaunt.
    „Bei dir; das heißt, in deiner Wohnung.“
    „Wann?“
    „Vor kurzem.“
    „So kommst du aus Deutschland?“
    „Yes.“
    „In bestimmter Absicht?“
    „Natürlich! Wollte mit dir reisen. Letzter Brief von dir wurde mir aus Kapstadt nachgeschickt. Stand drin zu lesen, daß du zu Halef und nach Persien wolltest. Wünschte auch, Halef wiederzusehen, nach Teheran, Ispahan, Schiras zu gehen. Kam, als damalige Reise beendet war, nach Deutschland. Wollte dich abholen; warst aber schon fort.“
    „Ach, nun errate ich! Du bist mir
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