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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
Autoren: Karl May
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Blut)?“
    „Echtes Radschi Pack! Willst du sie vielleicht sehen?“
    „Sehr gern.“
    „So will ich sie dir zeigen. Komm!“
    Sie standen auf und gingen hinaus. Ein solcher Pferdeliebhaber, wie David Lindsay war, ließ sich den Anblick echter Araber sicher nicht entgehen!
    „Sihdi, was sagst du zu diesem großen Wunder?“ fragte jetzt Halef. „Unser Inglis ist da! Was für Augen wird der machen, wenn er uns erblickt!“
    Noch ehe ich antworten konnte, ertönte von der Tür her Lindsays erregte Stimme:
    „Ich muß die Männer sehen, unbedingt sehen! Den einen Sattel kenne ich, kenne ich ganz genau. In dem Pferd kann ich mich irren; aber es gleicht dem herrlichen Rih (‚Wind‘), einem Hengste, denn ich – –“
    Er stockte mitten im Satz. Er war während dieser seiner Worte mit langen, eiligen Schritten, den Wirt hinter sich, durch den vorderen Raum gekommen und sah nun, an der Türöffnung stehend, uns nebeneinander sitzen. Es ist mir unmöglich, sein Gesicht zu beschreiben, vollständig unmöglich! Er stand vor Überraschung starr vor uns, ohne Bewegung, wie eine Bildsäule. Sein Mund stand geöffnet; seine Augen waren weit aufgerissen, doch keine Lippe, keine Wimper zuckte.
    „Sir David“, begrüßte ich ihn, indem ich aufstand; „welcome wieder hier in der alten, lieben Dschesireh (‚Insel‘, Land zwischen Euphrat und Tigris)! Wer hätte das geahnt!“
    „Ja, willkommen, Mister Englishman!“ ließ sich auch Halef hören, der diese beiden Ausdrücke glücklich aus seinem Gedächtnis zusammenbrachte. Und noch einige hinzufindend, fügte er hinzu: „We are vor Freude, als wir dich kommen sahen, fast ebenso starr gewesen, wie du jetzt vor uns stehst. Kommst du direkt aus deinem native country? Oder hat Allah dich aus einem anderen Land zu uns geführt?“
    Man sah es dem kleinen Hadschi an, daß er unendlich stolz auf diese früher aufgeschnappten paar englischen Worte war. Jetzt begann Lindsay sich zu bewegen. Er trat Schritt um Schritt auf mich zu, hob die Arme empor, breitete sie auseinander und schlang sie dann um mich, ohne dabei aber ein einziges Wort zu sagen. Ich war von diesem Beweise stummer, weil größter Freude tief, sehr tief gerührt und drückte den lieben Menschen fest an mein Herz. Da löste sich der Bann; er konnte wieder sprechen. Er sagte mit dem weichsten Ton seiner Stimme:
    „Mr. Kara, Ihr seid hier, Ihr?! Ich sage Euch, dieses Wiedersehen ist mir in alle Glieder geschlagen. Ich möchte am liebsten weinen und bin doch froh, so froh! Das ist wirklich ein Schulknabenstreich, den mir mein altes Herz macht!“
    „Laßt ihm seinen Willen! Das meinige hat auch nicht übel Lust zu solchen Streichen. Ich glaube, es möchte am liebsten Rad schlagen.“
    „Das steht ihm aber auch besser an, denn es ist viel jünger als meins, dem ich eine solche Rührseligkeit gar nicht zugetraut habe. Und da ist auch Halef, der gewaltige Scheik und Tyrann der Haddedihn! Aber mit dem muß ich arabisch reden!“
    Jetzt war es eine Lust, das Gesicht des Engländers zu beobachten. Vorhin hatte seine Nase über dem weit geöffneten Munde vor Erstaunen starr emporgestanden; nun war auch in sie wieder Leben gekommen.
    Wie seine Augen leuchteten, seine Wangen sich belebten und das Spiel seiner Mienen in reichem Wechsel arbeitete, so bekam auch sie wieder Farbe, und so zeigte auch sie jetzt eine Munterkeit der Bewegung, welche jeden, der so etwas noch nicht gesehen hatte, in lachendes Erstaunen setzen mußte. Sprach er mit Halef, so neigte auch sie sich der Seite zu, auf welcher der Hadschi stand; wendete er sich zu mir, so schwenkte sie auch nach mir herüber. Lachte er, so geriet sie in heitere Zuckungen, und gab er seiner Freude einen sinnig ernsten Ausdruck, so stand sie andächtig lauschend still.
    Der Wirt, welcher dieser Szene beiwohnte, hatte keinen Blick für uns, sondern seine Augen nur für diese wunderbare Nase, welche mit den Gedanken und Gefühlen ihres Besitzers stets vollständig übereinstimmte und nicht, wie andere Nasen, sich erlaubte, zuweilen eigenmächtige Stimmungen oder gar katarrhalische Besonderheiten zu haben. Nur damals, als sie an der Aleppobeule laborierte, hatte sie sich gegen seinen Willen eine Extravaganz erlaubt, die ihr aber auch nicht gut bekommen war und zur Strafe ein für das ganze Leben bleibendes Andenken zurückgelassen hatte.
    Während der ersten Aufregung des Wiedersehens waren die Eigenheiten des Lords nicht hervorgetreten, doch sobald er sein inneres
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