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218 - Nefertari

218 - Nefertari

Titel: 218 - Nefertari
Autoren: Christian Schwarz
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meines erbarmungswürdigen Sohnes Mosa und hast diesem Obdach gewährt. Ich weiß, dass er mich hasst. Wo ist er denn?«
    »Er ist in die Wüste geflohen, bevor du kamst, Herrin des oberen und unteren Landes. Er schafft es nicht, sich im Glanz, den du verstrahlst, zu bewegen.«
    Nefertari kicherte. »Erspar mir deine plumpen Schmeicheleien, Merire. Sie passen nicht zu dir. Aber du sprichst die Wahrheit. Mosa schafft es nicht einmal, mich heimtückisch zu ermorden, was ihm sicher Genugtuung bereiten würde, wenn er mir schon nicht im offenen Kampf entgegentreten kann. Er ist sein Leben lang eine Mistfliege gewesen und wird als solche sterben. Trotzdem wird nicht mein Vorkoster zuerst von all diesen Köstlichkeiten essen, sondern du selbst!«
    Merire, in Helm und Brustpanzer gewandet, verbeugte sich tief. »Wie Ihr wünscht.« Dann aß er von allem, was Nefertari probieren wollte. Dabei litt er an ständigem Brechreiz, denn er hatte zuvor einen halben Krug Speiseöl zu sich genommen. Trotzdem riss sich Merire, dem eine wunderbare Selbstbeherrschung zueigen war, so zusammen, dass ihm die Königin nichts anmerkte. Immer wieder fragte sie ihn nach den Vorkommnissen der letzten Monate, weil die Nubier wieder unruhig zu werden begannen, und nach seinem Leben und dem seiner Soldaten. Viel reden musste er aber nicht, da er ohnehin als wortkarg galt.
    Als die Diener nach dem Essen würzigen, mit Myrrhe versetzten Wein reichten, der wunderbar duftete, konnte Merire sein Zittern nur mühsam verbergen. Er hoffte, dass die Königin nicht misstrauisch wurde, denn im Wein war ein ebenfalls von Mosa gemischtes tückisches Gift enthalten.
    Nefertari streckte Merire ihren Becher hin, der bis oben voll war mit Wein. »Weihe du, Merire, nun meinen Becher ein, damit wir die nächsten Stunden gemeinsam Wein trinken und ich schlafen kann, bevor ich morgen zu den Tempeln aufbreche, um den größten Pharao zu ehren, den das Land am Nil je gesehen hat. Manchmal kann ich lange Nächte nicht schlafen und muss mir mit Wein und Arzneien behelfen. Verrate dieses Geheimnis aber nicht weiter, mein braver Kommandant.«
    Merire nahm den Becher und schaffte es, ihn ruhig zu halten. Dann nahm er einen tiefen Schluck. Der starke Wein stieg wie Rauch in seinen Kopf und brannte wie Feuer im Magen. Trotzdem spürte er noch durch den Wohlgeruch des Weins und der Myrrhe hindurch den Geschmack des Todes. Deswegen rann ihm beim Trinken etwas Wein über das Kinn. Er versteifte ein wenig. Den Göttern sei Dank, Nefertari wurde nicht misstrauisch. Sie hielt ihn lediglich für ungeschickt.
    Die Königin trank nun ebenfalls. Merire war sicher, dass sie, als sie noch jung war, den Geschmack des Giftes sofort bemerkt hätte. Doch nun, im Alter, hatten Geschmack und Riechvermögen nachgelassen. Das Gift strömte mit dem Wein in ihren Magen. Es würde allerdings erst viele Stunden später wirken, wenn Nefertari hoffentlich schlief. Denn niemand würde misstrauisch werden, wenn die Götter eine ohnehin schon uralte Frau endlich zu sich holten.
    So geschah es. Nach drei Bechern Wein war die Königin so angeheitert, dass sie begann, Merire Narreteien aus dem Leben der Hofdamen zu erzählen. Er lachte pflichtschuldig, obwohl ihn die Furcht fast umbrachte. Denn auch in seinem Magen war das Gift. Und er traute dem Schutzpanzer, den das Speiseöl dagegen bildete, nicht vollständig. Während die Königin auf ihr Lager sank, begab sich Merire auf seinen Abtritt, steckte sich den Finger in den Hals und erbrach das schützende Öl und das Gift aus seinem Magen. Seine Furcht aber war nun so groß, dass ihm der Schweiß aus den Poren brach und über die Glieder rann. Seine Knie zitterten so stark, dass er sich abstützen musste. Er spülte sich wiederholt den Magen mit Wasser aus, nahm entleerende Arzneien ein und übergab sich ein ums andere Mal. Erst als er gänzlich erschöpft war, sank auch er auf sein Lager und fiel in einen tiefen Schlaf.
    Am nächsten Morgen war Nefertari tot. Auf ihrem Gesicht lag ein friedlicher Ausdruck, sodass niemand auf die Idee kommen konnte, sie sei unter Schmerzen an Gift gestorben. Zumal es dem Festungskommandanten, der mit ihr gegessen hatte, leidlich gut ging.
    Niemand bemerkte die Verdickung in ihrer Kehle, die fast so aussah wie ein Adamsapfel. Und natürlich vermisste niemand den Skarabäus, der sich gestern noch unbemerkt in der Kammer aufgehalten hatte.
    ***
    Todeswüste, Mai 2524
    Daa’tan und Grao saßen todmüde im Schutz eines
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