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212 - Beim Stamm der Silberrücken

212 - Beim Stamm der Silberrücken

Titel: 212 - Beim Stamm der Silberrücken
Autoren: Jo Zybell
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nahe an die große Boeing herangesteuert, dass Percival das Leuchten der Brennkreise in den Triebwerken und die erleuchteten Fenster sehen konnte. Im Cockpit meinte er die Umrisse von Menschen erkennen zu können.
    »Ich frage mich, von wo aus der Vogel starten konnte«, sagte Dagobert. Sein massiger Körper allein füllte schon die halbe Luke aus. »Nach dem Kometeneinschlag dürfte es eigentlich keinen unbeschädigten Flugplatz mehr geben!«
    »Vielleicht kreisen sie ja seit der Katastrophe in der Luft«, sagte Leila.
    »Eine ziemlich naive Vorstellung, Lady Dark.« Ein spöttisches Funkeln trat in Dagoberts grüne Reptilienaugen.
    »Das ist drei Wochen her! So lange reicht nicht mal einem Jumbo der Sprit.«
    »Etwas mehr Respekt vor Lady Leila«, zischte der Major mit bösem Seitenblick auf Dagobert. Der runzelte verdutzt die Stirn. »Da unten gibt es eine Piste«, sagte Major Mogbar.
    »Hinunter werden sie die Maschine auf jeden Fall bringen.«
    »So oder so.« Dagobert feixte hämisch.
    Die Maschine flog kaum noch zweihundert Meter über dem Boden. Für ein paar Sekunden spiegelten sich ihre Positionslichter in einer Wasserfläche. »Der Amboselisee!«, rief Wilson. »Wenn wir irgendwo überleben, dann dort unten!«
    Die Positionslichter der Boeing begannen zu blinken. »Sie morsen.« Wilson drängte sich an dem breiten Dagobert vorbei.
    Aus schmalen Augen beobachtete er die Lichtzeichen. »Sie haben uns gesehen. Über hundert Leute sind an Bord.« Er übersetzte die Morsezeichen.
    »Der Pilot ist tot, der Copilot verletzt. Er weiß nicht, ob er die Maschine ohne Bruchlandung auf den Boden bringt. Nach der nächsten Schleife will er es versuchen. Er bittet uns um Hilfe nach der Landung.«
    »Eine Menge Leute«, knurrte Dagobert. »Die wollen alle satt werden irgendwie. Sollen wir uns das wirklich antun?«
    »Wir haben kaum eine Wahl«, sagte Wilson. »Der See und die Sümpfe werden über unterirdische Flüsse vom Schmelzwasser des Kilimandscharo gespeist. Zum Überleben brauchen wir Wasser, und zum Überleben brauchen wir das Wild, das täglich an den See kommt. Wir müssen da runter.«
    »Der See ist groß, sein Ufer lang. Das reicht für hundert Flugzeugbesatzungen«, sagte Dagobert. »Wir könnten am Nordufer landen.«
    Tom Percival blickte zum rechten Cockpitfenster hinaus.
    Fünfzig oder sechzig Kilometer entfernt sah man die Konturen des mittleren Kilimandscharomassivs. Der Gipfel selbst steckte in einer rot glühenden Wolkenbank. »Wir warten die Landung des Jets ab und gehen dann in seiner Nähe runter«, entschied er. »Wir müssen diesen Leuten helfen.«
    Die Boeing flog eine weite Schleife und setzte zur Landung an. »Ich weiß nicht…« Major Mogbar schüttelte zweifelnd den Kopf. »Was Dagobert sagt, ist die Wahrheit, Sir. Wir sind nur etwas mehr als ein Dutzend, höchstens zwanzig. Für uns zu jagen und zu fischen kann ich mir schon vorstellen, da hätten wir eine Chance, ja. Aber für hundertzwanzig Leute? Unrealistisch. Und wer weiß denn, ob die nicht lauter dekadente Touristen und weiße, wehleidige Zartärsche an Bord haben?«
    »Wir landen.« Der Brite blieb stur. »Je mehr Köpfe wir sind, desto mehr Know-how und Erfahrung haben wir beisammen.« Keiner antwortete ihm. Plötzlich war die Spannung mit Händen zu greifen. Er sah sich um. Sein Blick begegnete dem seiner Geliebten. Leila stand die nackte Angst ins Gesicht geschrieben. Neben ihr ging der Ethnologe in die Hocke. Er holte sein unvermeidliches Kokainröhrchen aus der Jackentasche und tippte sich eine Prise des weißen Pulvers auf die Handfläche. Percival fragte sich, wie viel Stoff Wilson wohl noch besitzen mochte.
    »Jetzt geht sie runter«, sagte Daniel Kayonga mit heiserer Stimme. Die Maschine flog knapp über dem Boden. »Wie eine Piste sieht das nicht aus…« Alle hielten den Atem an. Alle, bis auf Wilson. Der sog schnäuzend sein Kokain ein.
    Die Boeing setzte auf, sprang wie ein Tennisball hoch, setzte ein zweites Mal auf, sprang wieder hoch, und als die Maschine endlich am Boden blieb, säbelte ihre linke Tragfläche eine Akazie ab, zerbrach und löste sich vom Rumpf. Eine Staubwolke stieg auf. Das Flugzeug drehte sich ein paar Mal um seine Vertikalachse, stieß mit dem Bug gegen einen Äffenbrotbaum und blieb endlich liegen.
    »O Gott…«, stöhnte Leila. Dagobert stieß einen Fluch aus.
    Major Mogbar drückte den Helikopter nach unten und kreiste knappe zwanzig Meter über dem Wrack. Es brach kein Feuer aus. An der
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