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210 - Unter dem Vulkan

210 - Unter dem Vulkan

Titel: 210 - Unter dem Vulkan
Autoren: Ronald M. Hahn
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Sie musste nachdenken. Die Lähmung ließ nach.
    Langsam nahm Almira die Landschaft vor dem Fenster wahr: Die Handelsstation lag am Ostufer des Laatronsees und war ein ordentliches Stück von der Wolkenstadt Toulouse-à-l’Hauteur entfernt, die über einer Versorgungsstation im Norden schwebte. [1]
    »Hast du mich verstanden, Almira? Bist du dir bewusst, welche Ehre mir… ähm… uns damit zuteil wird?«
    »Ehre?« Almira fuhr herum. Ihre schwarzen Augen sprühten Blitze. »Ehre?!« Adrenalin wogte durch ihren Leib. Sie musste sich zusammenreißen, um ihrem Onkel nicht ins Gesicht zu springen. Sie sollte heiraten? Sie sollte einen Mann ehelichen, der angeblich schon achtundzwanzig Frauen hatte? »Dieser Mann«, fauchte sie, »ist ein Greis!«
    »Ein Greis?« Onkel Jules riss die Augen auf. »Aber der Prophet ist doch erst vierzig Jahre alt!«
    »Sage ich doch: ein Greis!« Das Blut rauschte in Almiras Ohren. Sie musste hier raus, und zwar sofort.
    Wenn sie nicht sofort an die frische Luft kam, würde sie sich übergeben. So sehr es ihr widerstrebte, ungehorsam zu sein: Sie würde niemanden ehelichen, der ihr Vater sein konnte. Und den sie nicht einmal kannte!
    »Ich werde ihn nicht heiraten!« Almira trat mit dem Fuß gegen einen irdenen Topf. Sie war zorniger als an dem Tag, an dem sie erfahren hatte, dass Danjeel, Onkel Jules’
    ansehnlichster Ladenschwengel, es mit dem hübschen Bujaam aus dem Kudu-Dorf trieb. »Und wenn ich je heiraten sollte«, platzte es aus ihr heraus, »suche ich mir den Mann selber aus!«
    »Almira!« Onkel Jules’ Miene spiegelte pures Entsetzen wider. »Das kannst du nicht tun!«
    »Kann ich doch!«
    Ihr Onkel warf verzweifelt die Arme in die Luft. »Du weißt nicht, was du sagst, Kind! Du bist dir wohl nicht im Klaren darüber, welche Möglichkeiten Maitre Magnan hat, wenn er seinen Willen durchsetzen will!«
    »Dem Kaiser wird es bestimmt gefallen, wenn er hört, dass jemand gegen seine Gesetze verstößt«, fauchte Almira zurück.
    »Ich gehe zu ihm! Ich werde mich beschweren! Ich werde ihn um Hilfe bitten!«
    »Man wird dich nicht vorlassen«, erwiderte ihr Onkel. »Und außerdem weißt du doch gar nicht, wo Kaiser de Rozier ist!«
    »Weiß ich doch!«
    »Weißt du nicht!«
    »Na schön, dann suche ich ihn eben!«
    Jemand klopfte an die Ladentür. Almira hob ihre Lanze und fuhr herum.
    Onkel Jules zuckte zusammen. »Ja?«
    »Hier ist Doctorus Noah«, erwiderte eine nicht unsympathische Stimme. »Brauchst du Hilfe, Jules?«
    »O nein!« Almiras Onkel winkte ab. »Danke! Ich komme schon zurecht.«
    »Maseltow.«
    Almira hörte sich entfernende Schritte. Der Unsichtbare klang ganz anders als die Männer aus dieser Gegend. »War das der Gesandte?«, fragte sie neugierig. »Er klingt so anders.«
    Ihr Onkel nickte. »Er ist weiß. Na ja, sagen wir, er ist relativ weiß. Er kommt aus dem Norden und ist ein heller Kopf. Spricht ein Dutzend Sprachen.« Er zupfte an seinem linken Ohrläppchen, wie immer, wenn er verlegen war. »Hör mal, Almira…«
    »Ich will nichts mehr hören!« Es fiel ihr nun erheblich leichter, leise zu sprechen. »Ich heirate nicht. Schon gar keinen alten Mann.«
    »Maitre Magnan ist jünger als ich, Almira!« Die Stimme ihres Onkels klang so flehentlich, wie seine schwarzen Augen blickten. »Ich habe ihn auch schon mal ohne Kapuze gesehen. Er sieht gut aus. Alle Frauen mögen ihn. Er ist auch helle und ein Freund der schönen Künste! Du bist verrückt, wenn du eine solche Gelegenheit ausschlägst!«
    »Ja, bin ich!«
    »Lass uns in aller Ruhe darüber reden. Ich bitte dich!«
    Etwas an seinem Tonfall machte Almira nachdenklich. Er hat wirklich Angst. Um mich.
    »Wenn eine Jungfer ihn zurückweist«, fuhr Onkel Jules im Flüsterton fort, »wäre es eine tödliche Beleidigung.« Almira sah, dass er schluckte. »Alles, was der Prophet denkt und tut, ist eine Folge seiner Religion.«
    Almira hätte gern gefragt, was er damit meinte, aber irgendwie machte sich in ihr der Eindruck breit, dass es besser war, es nicht zu tun. In diesem Land gab es viele Religionen, und eine war ihr so schnurz wie die andere, da sie nicht an Götter glaubte. Andererseits war der Prophet Magnan auch ein weltlicher Herrscher. Er brauchte nur mit den Fingern zu schnippen, dann verlor jemand den Kopf…
    »Wenn du ihn beleidigst«, sagte ihr Onkel, »sind wir beide des Todes.« Er räusperte sich. »Ich sage nur eins: Papa Lava!«
    »Was?!« Almira wich erschreckt zurück. »Was?« Ihr
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