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204 - An Afras Ufern

204 - An Afras Ufern

Titel: 204 - An Afras Ufern
Autoren: Mia Zorn
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dem einer Wildkatze. Wie bei allen Hyeenas waren ihre Vorderläufe im Vergleich zu den Hinterbeinen deutlich verlängert. Über ihre abfallende Rückenlinie zog sich ein dunkelbrauner Fellstreifen.
    Crocuta setzte ihren massigen Körper in Bewegung und ließ sich neben dem Hyeenaführer nieder.
    Hinter den beiden entstand ein Scharren und Schnaufen.
    Wie auf ein stilles Kommando hatten sich die anderen Hyeenas auf die warme Erde niedergelassen und beobachteten ihre Anführerin.
    Lasoo lächelte und seine weißen Zähne blitzten in der Mittagssonne. Die Tiere würden Crocuta blindlings überall hin folgen. Und Crocuta folgte ihm! Wenn es sein musste, auch in den Tod! Zufrieden tätschelte er den gedrungenen Schädel seines Leittieres. Seine bernsteinfarbenen Augen wanderten hinab in die Senke, die von den Stimmen der Dankar erfüllt war.
    Einige der Frauen stiegen auf das Steinpodest und stellten Tabletts mit Bechern, Krügen und Früchten neben die roten Kissen. Wie die meisten der Dankarfrauen waren sie von Kopf bis Fuß in Tücher gehüllt, die aus maisgelben, grünen oder ockerfarbenen Stoffen gewebt waren. Nur ihre Augen waren zu sehen. Und manchmal waren selbst diese mit einem schimmernden Gazetuch verdeckt. So wie bei Phillis, die gerade den Platz betrat. Sofort verstummten alle Gespräche.
    Die Männer schauten zu Boden, die Frauen verfolgten neugierig jede Bewegung der jungen Frau.
    Die Füße ihrer schmalen Gestalt schienen den Boden kaum zu berühren, während sie den Ring zwischen den stehenden Frauen und den sitzenden Männern durchschritt. Sie trug ein Gewand aus leuchtendem Rot. Ihr Kopf war in ein blaues Tuch gehüllt, und vor ihrem Gesicht schimmerte ein feiner Schleier.
    Lasoo konnte sich nicht erinnern, die älteste Tochter des Stammesführers jemals ohne diesen Gesichtslappen gesehen zu haben. Zumindest nicht mehr, seit sie offiziell zur Erwachsenen erklärt wurde. Damals war sie zwölf und er fünfunddreißig Sommer alt gewesen. Inzwischen waren fünfzehn Sommer vergangen.
    Phillis nahm auf einem Kissen Platz, das einen Steinwurf von dem Podest entfernt lag. Als Nachfolgerin des Stammesführers hatte sie das Privileg, als einzige Frau der Dankar während der Dschirga sitzen zu dürfen. Wegen dieser Bevorzugung begegneten ihr die Dankar einerseits mit Achtung, andererseits mit Misstrauen: Noch nie hatte eine Frau die Wächter der Weißen Wüste angeführt! Und nun sollte sich das einfach ändern?
    Dumpfe Trommelschläge rissen Lasoo aus seinen Gedanken. Unten trafen die Räte der Dankar ein, an ihrer Spitze Mulindwa, der Stammesführer, flankiert von den beiden Ältesten. Sie trugen weite Hosen und Hemden aus hellem Leinen. Hinter ihnen kam Nabende, der Kriegsminister. Er war schwarz gekleidet, mit rotem Stirnband und Waffengürtel. An seiner Seite lief die schlanke Gestalt des Allwissenden. Er trug Hosen und Hemd aus dunklem Leder. Seine langen Haare waren rot gefärbt und eine Vultuurfeder ( Vultuur: eine mutierte Form des Geiers ) ragte aus dem gelben Band um seine Stirn. Während die anderen Männern allesamt von kleiner Statur und fast schwarzhäutig waren, ihr Haar kurz geschnitten trugen und strahlend weiße Zähne hatten, war ihr Medizinmann groß, seine Haut schimmerte bronzen und seine Zähne hatten die Farbe von Elfenbein. Außerdem trug er einen langen weißen Bart. Besonders der war ungewöhnlich für die Dankar, denn sie waren bartlos.
    Der Allwissende ließ sich auf dem mittleren Kissen nieder.
    Lasoo beobachtete, wie er einen kleinen Lederbeutel aus einer Tasche seines Gewandes zog. Er enthielt die Augengläser, die er schon damals getragen hatte, als man ihn verletzt und halb verdurstet in der Weißen Wüste fand: Man hielt ihn anfangs für einen der unzähligen Abenteurer, die in die Wüste eindrangen, um den sagenumwobenen Elfenbeinschatz zu finden. Wie jeden anderen Verletzten auch, wollten die Wächter ihn erst der Wüste überlassen. Denn es verstieß gegen die alten Regeln, der Großen Mutter etwas Lebendiges zu nehmen!
    Aber der Allwissende trug auf seiner Schulter die Tätowierung eines Efranten, das heilige Tier der Weißen Wüste. Die Ältesten des Stammes vermuteten dahinter ein Zeichen und entschieden, dass er leben sollte! So nahm man den jungen Fremden mit in die Zelte der Dankar. Ihn und seine große Tasche aus dunklem Büffelleder, die allerlei Instrumente und Fläschchen mit Pflanzenextrakten enthielt. Denn der Fremde war ein Heiler aus einer Großen Stadt am
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