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200 - Die Suche beginnt

200 - Die Suche beginnt

Titel: 200 - Die Suche beginnt
Autoren: Jo Zybell und Michael Schönenbröcher
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eintauchen sehen, kurz bevor der Fels platzte und eine Staubwolke alles verhüllte. Ihre Schuppenhaut hatte sich abgelöst und gleißende Körper freigegeben. Waren es also thermophile Wesen? Vermutlich. Dafür sprachen auch ihre dampfenden Wunden.
    Der Sturm hatte sich in einen kräftigen Wind zurückverwandelt. Die Staubwolke hatte sich so weit gelichtet, dass Rulfan immer mehr Tote zwischen den Trümmern liegen sehen konnte; und viele Überlebende, die apathisch auf Felsbrocken hockten oder im Staub saßen. Eine Frau tauchte neben ihm auf. Auch sie starrte in den Himmel.
    Auf einmal verstummte das Getuschel hinter ihm und das Palaver rechts und links von ihm. Die Frau zuckte zusammen und griff nach seiner Hand. »Hörst du?«, flüsterte sie in der Sprache der Wandernden Völker.
    »Hörst du das auch?« Er nickte stumm.
    Ja, auch er hörte das dunkle Raunen. Kam es aus dem Himmel, oder tönte es in seinem Kopf? Auf einmal war es Rulfan, als würde die Welt den Atem anhalten. War es denn noch immer nicht vorbei? Er lauschte.
    (Lebt wohl!) Deutlich hörte Rulfan die Worte in seinem Kopf. (Verzeiht meinen Dienern und mir, und bedenkt: Nichts im Universum geschieht ohne Sinn.) Die Frau drückte sich an ihn; Rulfan spürte, wie sie zitterte. Ihm selbst standen die Haare zu Berge. (Alles fließt), raunte die Stimme, (und alles Fließen führt zu einem Ziel.)
    Rulfan begriff: Es war die Stimme des Wandlers, die er in seinem Hirn raunen hörte. Die kosmische Wesenheit verabschiedete sich von der Menschheit!
    (Überlasst auch ihr euch dem kosmischen Fließen, das ihr Schicksal nennt, und gebt die Hoffnung nicht auf, dass es euch einem guten Ziel entgegen trägt. Lebt wohl!) Die Stimme verstummte. Der Wandler war nur noch ein kleiner dunkler Fleck am Himmel neben der rötlichen Sonne, weiter nichts. Der Fleck schrumpfte zum Punkt.
    Der Punkt verschwand. Vorbei. Der Wandler war weg.
    Der Komet war wieder gestartet. Keine Daa’muren mehr auf der Erde, alles nur ein kurzer Zwischenfall im Jahrmilliardenstrom. Nichts von Bedeutung.
    Rulfan konnte es nicht fassen.
    Das war es also, dachte er. Fünfhundertzwölf Jahre Tod und Verderben, und jetzt war es vorbei. Die Frau an seiner Seite lehnte sich an ihn, sie weinte haltlos.
    Er legte den Arm um sie und strich ihr flüchtig über das Haar; schwarzes langes Haar. Aruula? Rulfan sah ihr ins Gesicht. Nein, nicht Aruula. »Es ist vorbei«, krächzte er und drehte sich um.
    Wo war Maddrax?
    Roter Staub senkte sich über einen kleinen Wald aus Dornengestrüpp. Die gesamte Erdkuhle füllte er aus. Vor einer halben Stunde noch hatte ein Felsblock in der Senke gelegen, und ein Mann aus der Vergangenheit hatte sich darauf gegen die Angriffe seines Sohnes gewehrt. Vor einer halben Stunde noch hatte Aruula dort unten…
    »Aruula!« Rulfan ließ die Frau los und stapfte der Wand aus Dornen entgegen. »Maddrax!« Chira lief ihm voraus, blieb vor dem Gehölz stehen, stemmte die Vorderläufe in den Staub und bellte.
    »Sie ist weg.« Die fremde Frau ging neben ihm her.
    »Sie ist mit dem wild gewordenen Pflanzenhexer und dem schwarzen Gedankenmeister gegangen. Eine dieser ekelhaften Echsen war bei ihnen.«
    Rulfan blieb stehen und sah sie an. Ihr Gesicht, ihr Haar, ihre Kleider – alles von rotem Staub bedeckt. Er versuchte zu begreifen, was sie da gerade gesagt hatte: Sie ist weg. Etwas in seinem Hirn sträubte sich gegen diesen schlichten Satz. »Und der Blonde?«, fragte er schließlich.
    Sie streckte Arm und Zeigefinger nach dem Dornengestrüpp aus. »Da drin…«
    ***
    Man sagt, im Augenblick des Todes würde das ganze Leben an einem vorüber ziehen.
    Matthew Drax war nicht lebendig genug, um diese Behauptung bewusst bestätigen oder widerlegen zu können. Was er in diesen Stunden erlebte – oder waren es nur Bruchteile von Sekunden, die sich endlos dehnten?
    –, war ein Aufflackern seines Verstandes. Und tatsächlich war das erste Bild, das er zu sehen meinte, das Gesicht seiner jungen Mutter, die sich über ihn beugte. Darüber verblasste die Wirklichkeit. Und das war gut so.
    Denn in der Realität lag Matt Drax sterbend am Boden, in der australischen Steppe, wo eben noch der monumentale und jetzt zerstörte Uluru aufgeragt war. Er blutete aus unzähligen winzigen Wunden, war durchbohrt von Dornen, geknebelt mit wuchernden Ranken, fast zerquetscht von Pflanzensträngen. Um ihn herum erhob sich eine tödliche Hecke aus der Erde; eine bösartige Wucherung der Natur, wie sie niemals
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