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1987 - Der Mörderprinz

Titel: 1987 - Der Mörderprinz
Autoren: Unbekannt
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den Verstand verloren. Deine Prophezeiung - würde sie unter den Crozeiren jemals bekannt - müßte unermeßlichen Schaden anrichten, da sie das Herrschaftssystem und die Zukunft des Volkes in Frage stellt. Wenn du es kannst, mußt du nun Gomberach begehen."
    Das Orakel lachte gedämpft, in einem tief klingenden Geräusch, das den Kachelboden zum Schwingen brachte.
    Die Macht der steinernen Erscheinung kam dem Prinzen wie eine Drohung zum Bewußtsein.
    Er war plötzlich sicher, daß der dunkle Steincrozeire ihn jederzeit töten konnte. Doch das hätte seine eigene Prophezeiung ad absurdum geführt.
    Das leise Lachen verwandelte sich in einen dröhnenden, mit gewaltiger physikalischer Intensität hervorgebrachten Klang, wie man ihn im Gebirge der Träume niemals vorher vernommen hatte.
    Es mußten viele hundert Acustiqs sein. Im Kopf des Prinzen verwandelte der Lärm sich in einen bohrenden, stechenden Schmerz.
    Das Orakel setzte eine Vibrationswaffe ein. Samaho machte sich klar, daß er nur einen Bruchteil der wahren Lautstärke hörte.
    Sein Befehl wurde in diesen Sekunden ausgeführt, nicht mehr und nicht weniger. Das Orakel beging Gomberach, auf eine ungewöhnliche Weise, die einem Wesen aus Stein angemessen war.
    Der linke Schädelkonus des Crozeirenzwillings zerbröckelte und verwandelte sich in Staub. Samaho sah die Wolke herabsinken, in einem scheinbar zeitlupenhaften Prozeß.
    Ein scharfer Windstoß fuhr in den Saal, der einen Geruch nach fallendem Schnee und Blütenpollen aus dem Tal mit sich brachte, und der unversehrte Rest des Orakels wurde wie ein Haufen Puder auseinandergeblasen.
    Samaho fand sich in einer grauen, wirbelnden Wolke wieder.
    Es war ein furchtbares Gefühl. Der Staub, der ihn umgab, hatte auf eine geheimnisvolle Weise bis eben noch gelebt. Er atmete Teile einer Leiche ein.
    Das Gelächter und der Klang der Vibrationswaffe ebbten langsam ab. Es dauerte ein paar Minuten, dann hatte der Staub sich gelegt, und ein Belag aus Kolium-Quarzsand bedeckte unregelmäßig verteilt das Kachelmuster des Bodens.
    Das Orakel war tot.
    Es hatte sich selbst das Leben genommen, doch Samaho war klar, daß er den Crozeirenzwilling durch seinen Befehl getötet hatte.
    Nur die vierundzwanzig Mörderstatuen waren nun noch übrig - Mörder wie er und möglicherweise zu Wahrnehmungen fähig, von denen der Prinz keine Vorstellung besaß.
    Er hielt es für möglich, daß die Torr den Prophetenspruch des Orakels gehört und verstanden hatten.
    Möglicherweise konnten sie sogar sprechen, wenn sie es für nötig hielten.
    Er ließ seinen Blick lange und nachdenklich über die vierundzwanzig steinernen Gestalten wandern. Dann zog er den Prinzenring von seinem Finger.
    Er stellte das Waffensegment auf Desintegrator-Modus. Ein grüner, blasser Strahl zuckte aus dem Ring und neutralisierte überall dort, wo er auf feste Materie traf, die Bindungskräfte der Atome.
    Die vierundzwanzig Mörder starben endgültig und für alle Zeiten, in diesem Augenblick. Fast hätte der Prinz erwartet, sie noch einmal zum Leben erwachen zu sehen. Aber es gab keine Gegenwehr, keinerlei Anzeichen von Entsetzen, keine Fluchtversuche.
    Hätte Samaho es nicht besser gewußt, hätte er nicht zu Beginn der Zeremonie die Augen der Torr erblickt, er wäre davon überzeugt gewesen, daß er nicht mehr tat, als ein paar Statuen zu zerstrahlen.
    Nach ein paar Minuten war alles vorbei. Er schob den Prinzenring auf seinen Finger zurück.
    Keines der Relikte im Klostersaal existierte mehr.
    Samaho verlor nun alle Scheu. Er stöberte durch den Saal, sogar die Treppen versuchte er hinabzuklettern, doch nach wenigen Metern versperrten abgeschlossene Türen seinen Weg. Der Sphärenkranz, mit dem er sich selbständig hätte krönen können, war nicht aufzufinden.
    Samaho begab sich zum Ausgang und warf keinen Blick mehr zurück.
    Als er die Tür öffnete, raubte die Kälte ihm für einen Moment den Atem.
    Der Nachthimmel hatte sich in eine Wand aus gesprenkelten, perlweißen Flocken verwandelt, in silbernes Licht getaucht von den Cro-Schwestermonden, eine undurchdringliche Mauer aus Fraktalen, die sich am Boden in ein Schneetuch verwandelten.
    Eingeschneite Gestalten ragten vor seinen Augen auf, die eisigen Wächter des Gebirges.
    Aber einige von ihnen bewegten sich noch.
    Es waren die Diener seines Vaters, die letzten Überlebenden.
    „Wo ist Euer Sphärenkranz?" vernahm er eine schrille Stimme - von der er gehofft hatte, daß er sie niemals wieder hören
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