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1987 - Der Mörderprinz

Titel: 1987 - Der Mörderprinz
Autoren: Unbekannt
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einmal ein König sein. Ich bin nicht aus freiem Willen hier, sondern weil mein Volk dies von mir verlangt!"
    Das Orakel unterbrach seinen Redefluß mit einem Einwand, der ebenso trocken wie verblüffend wirkte: „In einer Hinsicht müßt Ihr Euch nicht sorgen, mein Prinz. Ihr werdet niemals ein König der Crozeiren sein."
    „Aber was..."
    Mit einemmal verblüfft, starrte Samaho die vier Meter hohe, doppelköpfige Gestalt an, die im Halbdunkel des Klostersaals wie ein Alptraum wirkte. „Und warum nicht?" wollte er nach ein paar Sekunden wissen. „Ich bin ins Kloster gekommen, ich habe diese unwürdige Kletterpartie überstanden. Und ich bin der einzige Sohn meines Vaters, der ein König der Crozeiren war."
    „Das alles mag richtig sein. Dennoch wird es keine Krönung geben. Denn ich bin nicht bereit, den Strahlenkranz von Cro über Euren Kopf zu legen, Torr Samaho."
    „Nenne mich nicht so!"
    „Es ist die Wahrheit."
    „Ich habe niemanden ermordet. Ich bin kein Torr!"
    „Ihr werdet es sein", erklärte die steinerne Gestalt mit Bestimmtheit.
    „Du verweigerst mir also die Krönung, Orakel?" fragte er fassungslos.
    „Ja."
    „Wenn ich nicht der König sein werde, wie kann ich dann die furchtbaren Dinge tun, von denen du sprichst?"
    „Das weiß ich nicht. Aber ich habe es gesehen, Ihr werdet Euer Volk in den Untergang führen. Niemand wird diesen Tag überleben.
    Das ist meine Prophezeiung. Ich kann die Zukunft nicht verändern. Ich werde dem furchtbarsten Mörder von allen nicht den Sphärenkranz geben, und es wird dennoch geschehen."
    Samaho verstummte für lange Zeit.
    Im kalten Luftstrom, der durch Mauerritzen ins Kloster drang, fing er wieder zu frieren an. Er war keine dieser Kampfmaschinen, die die Galaxis Pooryga bevölkerten. Er war ein zarter Crozeire, mit einem Puppenkörper und feingliedrigen Händen, die sich für die Ausführung eines Mordes nicht eigneten.
    Er machte sich jedoch klar, daß das Orakel an seine Worte glaubte, daß die steinerne Gestalt aus grauer Vorzeit überzeugt war, die Wahrheit zu sprechen und nichts anderes als das.
    Der Prinz erinnerte sich an seine früheste Kindheit, als man ihm das erstemal von Druu und dem Kloster berichtet hatte, von den riesenhaften Augen, die den Aufstieg überwachten und denen die sichtbare Welt zu gehören schien. Das Orakel war eine Institution. Einmal in zweihundert Jahren meldete es sich zu Wort, wenn es dem alten Prinzen, dem neuen König seine Prophezeiung schenkte, und stets waren es Ausblicke in eine Zukunft voller Licht und Harmonie gewesen.
    Einmal in zweihundert Jahren, bis zum heutigen Tag.
    Samaho wußte, daß das Volk die Prophezeiung des Orakels glauben mußte.
    Andererseits: Was, wenn das Volk niemals etwas über diesen Tag erfuhr?
    Keiner konnte ihn zwingen, die Worte des Orakels sinngemäß wiederzugeben. Sie waren allein, und niemand konnte hören, was gesprochen worden war.
    Allerdings konnte Samaho nicht ausschließen, daß ein dummer Zufall die Wahrheit ans Tageslicht brachte.
    Das Orakel mußte nur irgendwann zu sprechen beginnen, wenn die Wallfahrer von den Sternen das Kloster füllten.
    Außerdem gab es da noch etwas: ohne Orakel keine Krone und ohne Krone kein König. Das Volk würde bald wissen wollen, weshalb es nicht länger von einem legitimen Oberhaupt regiert wurde, sondern lediglich vom Sohn eines Verstorbenen.
    „Du weißt, daß ich der Prinz von Crozeiro bin", sagte er düster.
    „Ja, mein Prinz."
    „Bedeutet das, du unterwirfst dich meinem Wort, Orakel?"
    „Ich kann die Unwahrheit nicht sprechen. Und ich kann diesen Ort niemals mehr verlassen, weil die Jahrzehntausende mich mit dem Gipfel der Welt verschmolzen haben. Aber darüber hinaus, ja, mein Prinz. Ich werde Euren Befehlen folgen."
    Es wurde sehr still im Klostersaal. Samaho hörte nur noch seine Atemzüge, voller unterdrückter Erregung und mit einer Hektik, die ihm keinerlei Zeit mehr ließ, um nachzudenken.
    Dabei wäre es das gewesen, was er benötigte, einen Tag oder eine Woche an einem stillen Ort.
    „Du kennst den Befehl bereits, den ich dir geben werde?"
    „Natürlich."
    „Also... worauf wartest du?"
    „Ich werde Euch nicht die Qual nehmen, die mit der Aussprache des Befehls verbunden ist."
    Samaho versuchte sich zu straffen, er richtete sich auf, so hoch er konnte, und seine spitzen Ohren klappten vom Schädelkonus herab, so als weigerte er sich, die eigenen Worte mit anzuhören: „Orakel, ich befehle dir zu sterben. Du hast offensichtlich
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