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1987 - Der Mörderprinz

Titel: 1987 - Der Mörderprinz
Autoren: Unbekannt
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doch ihre Geschichte war längst in Vergessenheit geraten.
    In Crozeirenstadt kannte man sie nur als „die Mörder", die Torr.
    Sie waren alle um die zwei Meter groß, natürlich humanoid, fünfzig Zentimeter größer als die Durchschnittscrozeiren der Gegenwart. Ihre schmalen Konusköpfe mit den spitzen, hochgezogenen Ohrmuscheln und den Knopfaugen wirkten plumper, als es heute der Fall war, und ihre Glieder sahen kräftiger aus.
    Körperlich hätte Samaho gegen keinen jener Torr eine Chance gehabt. Die Crozeiren entwickelten sich mit Rasanz in Richtung fragil, zart, lebensuntüchtig.
    Samaho ließ seinen Blick über die konservierten Mienen gleiten. In den Gesichtern aus Stein stand eine längst vergangene Qual zu lesen.
    Der Prinz spürte, daß ihre Augen aus Koliumgranit ihn nicht mehr loslassen wollten.
    Doch er tat ein paar wacklige Schritte nach vorn, bis er nur noch das Orakel sah.
    Der Crozeirenzwilling, ein zeitloses Geschöpf mit der Fähigkeit, die Zukunft zu erkennen, galt als letzter in einer Reihe furchtbarer Crozeiren-Mutationen, aus einer Epoche vor Beginn der Geschichtsschreibung, über die es nur noch Vermutungen gab.
    Der Zwilling und die vierundzwanzig Torr-Statuen säumten die rückwärtige Front der Halle. Im ungewissen Licht vermochte Samaho ihre Züge nicht zu erkennen.
    Zum ersten Mal hätte er sich gefreut, wäre Karvencehl dagewesen. Er hatte nicht das Gefühl, der Zeremonie gewachsen zu sein.
    Er wußte nicht einmal, wie die Zeremonie aussah und ob sie eine Gefahr für einen crozeirischen Prinzen darstellte.
    Es roch seltsam im Kloster, wie nach Schimmel, obwohl ein kaum merklicher Zug für Entlüftung sorgte.
    Drinnen war es nicht sehr viel wärmer als draußen, im Eiswind des Gebirges. Immerhin, Prinz Samaho hörte zu frieren auf.
    Aber das lag an seiner Aufregung.
    Ein tieffrequenter Chorgesang, wenige Acustiqs oberhalb der Wahrnehmungsschwelle von Crozeirenohren, erfüllte den Saal.
    Samaho konnte nicht feststellen, woher der Chorgesang kam und ob es wirklich einen unsichtbaren Chor gab oder ob der Höhenwind des Gebirges sich in gemauerten Scharten fing, die zufällig wie die Resonanzkammern eines gigantischen Musikinstrumentes angeordnet waren.
    Mit seinen Augen suchte er argwöhnisch die Wände ab. Stein singt nicht.
    Die von Hand gehauenen Blöcke, unregelmäßig gemasert und von einem feinen dunklen Belag überzogen, wuchteten sich zu einem steinernen Gewölbe empor, dem Klostersaal von Druu.
    Der Boden war mit polierten Fliesen vertäfelt, ein Sprenkelmuster in Silber und dunklem, schmutzigem Braun.
    Samaho hörte auf den Fliesen überdeutlich jeden seiner Schritte.
    Der Prinz gestand sich ein, daß er Angst hatte.
    Er gehörte nicht hierher. Kein Unrecht lastete auf seiner Schulter, er hatte niemals ein Verbrechen begangen.
    Was also führte ihn ins Kloster? Mit welchem Recht wurde ein Prinz von Crozeiro der steingewordenen Sünde ausgesetzt? Er wollte nicht der König seines Volkes sein. Er wollte nicht eine Verantwortung tragen, die für jeden anderen zu schwer gewesen wäre.
    Durch den Boden lief eine Vibration. Samaho konnte es durch die Kacheln spüren.
    In den tieffrequenten Chorgesang mischte sich ein klapperndes Geräusch, diesmal einige Acustiqs lauter, so als würden Zehntausende von Glasscherben an einem fernen Ort durcheinandergeschüttelt.
    Die Herkunft des Geräusches konnte sich Samaho nicht erklären.
    Er versuchte, überall hinzuschauen - nur nicht nach vorn.
    Sie haben sich... bewegt! Es ist nicht möglich!
    Nervös irrte sein Blick zu den Seiten.
    An der rechten Flanke des Klostersaals führten Treppen abwärts, mit spiegelglatten Stufen, die für die Beine eines Crozeiren zu hoch ausfielen. Frühere Generationen hatten möglicherweise längere Beine besessen. Oder eine fremde Kultur hatte das Kloster erbaut, überlegte der Prinz. Eines der Hilfsvölker aus dem Halo, die Techniker von Pooryga, womöglich ein Geschenk der alten Freunde aus Erranternohre.
    Er hatte den Eindruck, daß die Geräusche ausgerechnet von dort unten kamen.
    Da aber regte sich etwas anderes, direkt vorn, im Halbdunkel an der Stirnseite des Klostersaals, und die Bewegung hatte er so genau gesehen, daß es nicht mehr den Schimmer eines Zweifels gab.
    „Prinz...!"
    Eine Stimme wie ein fernes Wispern.
    „Prinz ... Wie lautet Euer Name, Prinz?"
    Die steinernen Mörder und der Crozeirenzwilling hatten sich gedreht, jeder nur um eine Nuance, aber sie alle blickten nun in seine
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