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1987 - Der Mörderprinz

Titel: 1987 - Der Mörderprinz
Autoren: Unbekannt
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in Crozeirenstadt, etwas mehr als eine Million Individuen. Das bedeutete, daß auch ein Viertel ihres Menta in der Stadt manifest wurde.
    Er sog tief den Atem ein, und ein Hauch von Blütenstaub, der aus den Nebentälern herbeigeweht wurde, legte sich wie ein süßer Film über seine Atmungsorgane.
    Der Pfad, gerade noch beschritten, war im Schnee schwer zu erkennen. Samaho schätzte, daß sie allein an der Schneegrenze mehr als fünf Dutzend Personen verloren hatten. Sein Vater hatte die Leute als Diener zu sich geholt, als er jung gewesen war, und nun waren sie mit ihm alt geworden; ausgenommen Karvencehl und wenige andere, die sich in Samahos Alter befanden, Jünglinge mit degenerierten Greisenkörpern. Das robotische Räumkommando würde die Leichen bergen, wenn die Krönungszeremonie vorüber war. Ein von Leichen gesäumter Aufstieg zum Kloster von Druu machte sich nicht gut, wenn die Wallfahrer kamen.
    Wer es jedoch bis in die Regionen des ewigen Eises schaffte, der wählte selbst sein Grab. Wer an diesem Tag das Ziel erreichte, konnte Gomberach begehen, die crozeirische Spielart eines rituellen Selbstmordes. Gomberach bedeutete, daß die Tätigkeit von Herz und Atmung mit einem willentlichen Impuls angehalten wurde.
    Die eisigen Wächter waren heilig. Jenseits der Frostgrenze mußten es zehntausend sein. Niemand hatte je das gefrorene Heer der Gomberach-Leichen angetastet.
    „Hoheit, könnt Ihr noch gehen?"
    Er stieß einen grimmigen, nicht artikulierten Laut aus, der Karvencehl verstummen ließ. Er wurde den Verdacht nicht los, daß der Diener ihm insgeheim ein Scheitern wünschte.
    Junger Prinz von Crozeiro, mit alten Männern und Frauen in den Tod gezogen. Er schwor sich, daß es so weit nicht kommen würde.
    „Es geht weiter!" stieß er hervor.
    Samaho richtete seinen Blick nach vorn. Er hatte das Gefühl, daß es immer kälter wurde.
    Mechanisch setzte er Schritt an Schritt. Nicht ohne eine gewisse Befriedigung vernahm er das Schnaufen, das von hinten kam.
    Hochverdichtete Nahrungsmittel führten ihm Energie zu, dennoch versagte die Beinmuskulatur ihm den Dienst.
    Jede Generation der Crozeiren wurde schwächer geboren als die vorhergehende; und der Zeitpunkt ließ sich absehen, da sie ohne robotische Hilfe nicht mehr existieren konnten. Wenn er König war, beschloß Samaho, würde er ein genetisches Zuchtprogramm auf den Weg bringen. Aber zuerst mußte der Sphärenkranz von Cro seinen Leib umfangen. Dann konnte er regieren, wie es ihm beliebte.
    Prinz Samaho ließ seinen Blick auf die ersten zu Eis erstarrten Crozeiren fallen. Wie lange sie schon den Weg bewachten, das wußte er nicht. Es konnten fünfhundert Jahre sein, manche Eisskulpturen hatten aber auch zehntausend Jahre und länger die Erosion überdauert.
    Ein halber Tag verstrich, dann war ein ganzer vorbei, und die Cro-Schwestermonde schickten ihren prachtvollen Glanz über den Abendhimmel.
    Sein Troß hatte sich von dreihundert auf weniger als sechzig Personen verringert.
    Samaho vermochte kaum noch zu gehen. Jeder einzelne Schritt fügte ihm Schmerzen zu, die er früher niemals ohne ein Medikament ertragen hätte.
    Dann stieß er auf die Mauern aus Graphit, die das letzte Stück des Weges säumten, und die schwer begehbare, im Neuschnee kaum noch sichtbare Trasse verwandelte sich in eine gepflasterte Straße.
    Vor ihm lag das Kloster von Druu. Prinz Samaho hatte niemals ein Bauwerk erblickt, das aus der Nähe so monumental wirkte.
    Die schwarzen Mauern strahlten eine gewalttätige, geballte Dominanz aus, und er lehnte den Gedanken an die Krönung innerlich vehementer ab denn je.
    Dennoch, er hatte es geschafft. Das allein zählte in diesem Augenblick.
    Die Augen von Druu blickten auf ihn herab, jedes ragte von seinem Sockel zwanzig Meter in die Höhe, und sie wisperten: Mörderprinz.
    Wird nie ein König sein.
    Samaho zuckte schockiert zusammen, als er die Botschaft hörte.
    „Hoheit!" krächzte eine Stimme von hinten. „Was ist mit Euch?"
    Er machte sich klar, daß es keine Botschaft gab, daß die Augen nicht sprechen konnten und daß er lediglich einer Illusion aufgesessen war.
    „Nichts, Karvencehl", stieß er hervor.
    „Warum tretet Ihr dann nicht ein?"
    „Weil... Ich bin schon auf dem Weg."
     
    *
     
    Der Klostersaal war bis auf die versteinerten Mörder und den Crozeirenzwilling, das eigentliche Orakel, vollständig leer.
    Die Mörder stellten ein furchtbares Relikt aus einer dunklen Stunde ihres Volkes dar, soviel wußte Samaho,
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