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1966 - Der Schattenbruder

Titel: 1966 - Der Schattenbruder
Autoren: Unbekannt
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unterschiedlich stark ausgeprägt sein, doch jeder verfügte über sie, und sie wurde von Jugend an gezielt gefördert und trainiert.
    Es war die Begabung der Psi-Reflexion. Praktisch alle Gharrer waren imstande, Gefühle und Emotionen, aber auch Para-Ströme - etwa die von Telepathen - an die Sender zurückzustrahlen. Dieses Talent hatte sich im Lauf der Jahrtausende nach ihrer Ankunft in Chearth allmählich bei ihnen entwickelt. Niemand konnte genau sagen, wann es entstanden war. Vielleicht war es schon vor weit über vierzigtausend Jahren zumindest latent vorhanden gewesen, bei der entscheidenden Konfrontation mit den Wlatschiden, die die Weichen für eine friedliche Entwicklung in dieser Galaxis gestellt hatte.
    Vielleicht hatten die damals noch aggressiven Wolfsähnlichen, die nur bestrebt waren, ihren Machtbereich auszudehnen, rudimentär die eigenen zurückgeworfenen Emotionen wahrgenommen und sich daraufhin davor gescheut, es zu einem Kampf mit den Wasserstoffatmern kommen zu lassen, zumal diese ihnen weitere Verhandlungen anboten. Aber irgendwann nach ihrer Ankunft in Chearth hatten die Gharrer diese Fähigkeit entwickelt und verstärkt. Womöglich waren sie gerade wegen dieser Psi-Begabung von der Koalition Thoregon ausgewählt worden, den Sonnentresor zu bewachen.
    Jedenfalls konnten die Gharrer emotionale und parapsychische Ausstrahlungen anderer Wesen analysieren und in ihre verschiedenen Strömungen aufgliedern.
    Genau das tat Mhogena nun, wie er es schon oft getan hatte, und nahm eine Regung wahr, aber eine völlig ungewöhnliche unter Gharrern: einen heftigen Anflug von Zorn, vielleicht sogar von Hass. Damit war er gewissermaßen vorgewarnt, wusste, was ihn erwartete, und konnte sich auf die zu erwartenden Aktionen seines Gegenübers einstellen. Wenn er nun die empfangenen Vibrationen an den Absender zurückstrahlte, lenkte er dessen Gedanken und Handlungsweise in andere Bahnen.
    Der Sender der Emotionen empfing praktisch seine eigenen Ausstrahlungen. Das führte normalerweise zu hochgradiger Verwirrung; der Urheber der Gefühle wurde gezwungen, seine eigenen Regungen zu verarbeiten, die er dazu noch auf parapsychischer Ebene vorgesetzt bekam. Ihm wurde ein Spiegel vorgehalten, durch den seine eigene Gefühlswelt für ihn selbst unverdaulich wurde. Dieses Echo stürzte den Betroffenen in ein auswegloses Dilemma, zwang ihn zum Umdenken, weil er sich würde er seine ursprüngliche Absicht tatsächlich ausführen, nur selbst Schaden zufügen würde.
    Indem durch die Psi-Reflexionen sein Denken in andere Bahnen gezwungen wurde, wurde er gleichzeitig befriedet.
    Das alles dauerte normalerweise eine ganze Weile. Doch nun geschah etwas, das der Junge sich erst viel später erklären konnte. Die Emotion verdichtete sich zu einem Gedanken, einem Wort. Du! vernahm er in seinem Geiste, und er spürte die absolute Antipathie, die hinter dieser Bezeichnung steckte. Du trägst Schuld an allem! Er musste nicht den Kopf drehen, um den gesamten Klassenraum überblicken zu können; die Anordnung seiner vier Augen und ihrer Schlitzpupillen ermöglichte ihm eine Rundumsicht von dreihundertundsechzig Grad. Du wirst von allen anerkannt, bist bei allem, was du tust, erfolgreich! Nichts im Raum kam ihm ungewöhnlich vor. Du dominierst über alle anderen! Alle tun, was du vormachst, wollen deinem Beispiel folgen!
    Die Anschuldigungen trafen Mhogena völlig unvorbereitet. Nie hatte er Schwierigkeiten mit seinen Altersgenossen gehabt, keiner hatte ihm je derartige oder ähnliche Vorhaltungen gemacht. Die aggressive Ausstrahlung, die sich auf eine ihm völlig unbegreifliche Weise zu fassbaren Gedanken konkretisiert hatte, hätte von jedem seiner Kameraden stammen können doch er bezweifelte keinen Augenblick lang, dass sie von Pratmoka stammte.
    Er hatte schon früh erkannt dass Pratmoka ein Entwurzelter war, wie sie auch bei den Gharrern immer' wieder auftraten, wenn auch keineswegs so zahlreich wie bei anderen Völkern die den Grundsatz Alle sind eins nicht so intensiv verinnerlicht hatten wie die Wasserstoffatmer. Bei der Berufswahl, ja bereits, wenn es galt, bei der Ausbildung gewisse Akzente zu setzen, gingen die Gharrer nach einem ganz einfachen Prinzip vor: Entweder hatte man die Befähigung für eine Aufgabe, oder man hatte sie nicht und konnte sie auch nicht übernehmen.
    Manche Gharrer hatten aber Schwierigkeiten, ihre jeweilige Befähigung überhaupt erst zu finden. So einer war Pratmoka. Seine Eltern stammten nicht
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