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1929 - Der General der Träumerin

Titel: 1929 - Der General der Träumerin
Autoren: Unbekannt
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ein Nest im Sand zu bauen und die Eier von der Sonne ausbrüten zu lassen. Die Gefahr, daß die Eier von Raubtieren ausgegraben und gefressen wurden, war viel zu hoch.
    In früheren Jahrhunderten hatten die Frauen ihre Eier im eigenen Haus ausgebrütet, doch dabei hatte es zu viele Verluste gegeben.
    Daher hatte Amkas-Ololk I. vor 110 Jahren beschlossen, das Bruthaus zu errichten, und per Gesetz hatte er bestimmt, daß alle Frauen ihre Eier dort - streng nach Clans getrennt - ablegen mußten. Die medizinische Betreuung war perfekt, und seitdem gab es kaum noch Ausfälle.
    Alle Clans aber hatten Angst, daß es jemandem aus einer niederen Gesellschaftsschicht gelingen könnte, ihre eigenen Eier gegen die eines höheren Standes auszutauschen.
    Der Bagarn machte sich auf den Weg zum Palast. Jetzt flog er schneller als zuvor. Er nahm sich vor, irgendwann einmal für gehörige Unruhe in den gehobenen Gesellschaftsschichten zu sorgen, indem er von dem Vorfall berichtete, den er beobachtet hatte. Namen würde er allerdings nicht nennen.
    Würde Hysterie ausbrechen? Würden die Clans die Gene ihrer Nachkommen überprüfen, um herauszufinden, wer sich unter sie geschmuggelt hatte? Oder würden sie zu feige sein, so etwas zu wagen, weil sie nicht wissen konnten, ob sie nicht gar selbst auf eine solche Weise aus einem der unteren Clans aufgestiegen waren? „Koraw ist ein Tollhaus", sagte er zu den Ehrenwachen am Palast. Er landete neben ihnen und warf ihnen den Prallschirm zu.
    Die Wachen trugen nur symbolische Waffen.
    Andere waren unnötig, da es seit Jahrzehnten keine unliebsamen Zwischenfälle am Palast gegeben hatte und auch jetzt nichts darauf hindeutete, daß jemals moderne Waffen für die Verteidigung des Regenten gebraucht würden. „Am liebsten würde ich mal eine Nacht in diesem Haus arbeiten", fügte der Bagarn hinzu, „um von oben bis unten und von unten bis oben alles durcheinanderzubringen, bis nichts mehr an seinem ursprünglichen Platz ist.
    Das wäre die Erneuerung, die unsere Gesellschaft braucht."
    Sie blickten ihn ratlos an. Sie wußten nicht, wovon er sprach. Es überraschte sie, daß er von arbeiten sprach. Wenn man dem Glauben schenken wollte, was man sich am Hof über Ogal-Borstik erzählte; dann gehörte dieses Wort nicht zu seinem Wortschatz.
    Er eilte an ihnen vorbei, ließ sich in einen mit metallisch glänzenden Stoffen ausgeschlagenen Sessel sinken und von einem Antigrav bis an den Wohn- und Herrschaftsbereich des Bygoon tragen. An der Tür sprang er aus dem Sessel und ging die letzten Schritte zu Fuß, umgeben von vier Frauen, die in aller Eile seine Kleidung zurechtzupften, seine Fingernägel lackierten, seine Stiefel putzten und versuchten, ihm die flammend rote Kappe mit den Hörnern abzunehmen. Er schlug ihnen sanft auf die Finger, und sie zogen sich verhalten lächelnd zurück, wobei sie seine Blicke suchten und auf ein Zeichen seiner Gunst warteten.
    Der Bagarn ignorierte sie und betrat den großen Beratungsraum, in dem sein Vater auf einer etwa anderthalb Meter hohen, schimmernden Lichtsäule saß, während die Minister auf Säulen Platz genommen hatten, die lediglich halb so hoch waren. Geisterhafte, irrlichternde Gestalten bewegten sich im Licht unter dem Bygoon, und kleine blaue Flammen umtanzten seinen Hinterkopf.
    Ogal-Borstik sah kaum noch hin. Er wußte, daß es Holo-Effekte waren und daß sein Vater von einem Antigrav getragen wurde.
    Viele Untertanen wußten es nicht. Sie glaubten tatsächlich an übernatürliche Kräfte, mit deren Hilfe sich der Regent in dieser Weise darstellte. Ogal-Borstik hatte kein Verständnis dafür, daß Ogal-Achua auf solche Äußerlichkeiten Wert legte; er verstand auch nicht, warum das Volk auf solchen offensichtlichen Unsinn hereinfiel.
    Der Bygoon war ein guter, strenger und visionärer Herrscher, der sich beim Volk der Koraw hoher Beliebtheit erfreute. Er war ein Mann, der die Koraw zu großem Wohlstand und einer gewissen Macht geführt und der vor allem dafür gesorgt hatte, daß sie sich keinem anderen, mächtigeren Volk beugen mußten.
    Mit der Auswahl, die sein Vater bei den Hofbeamten getroffen hatte, war der junge Ogal-Borstik allerdings nicht einverstanden.
    Einige haßte er, einige verabscheute er, und andere empfand er als lächerlich. Schon einige Male hatte er erwogen, während einer wichtigen Besprechung seines Vaters mit den Ministern oder bei einer seiner öffentlichen Reden die Antigravfelder auszuschalten, auf denen sie saßen, so
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