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1864 - Vorabend der Apokalypse

Titel: 1864 - Vorabend der Apokalypse
Autoren: Unbekannt
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Seda? Angst davor, daß ... unser System nicht mehr so funktioniert, wie es das seit der Friedlichwerdung getan hat?"
    Sie vermied bewußt die Begriffe „Kasch-Phee" und „Drache".
    Seda Galoer nickte zögernd.
    „Days Vuuneron hat nicht nur tatenlos zugesehen, wie Tamm Ganga Dero Berool erschlug, sie hat ihn auch noch unterstützt. Als sie endlich zu sprechen begann, konnte sie fast nur unzusammenhängende Wörter stammeln. Daraus ging aber hervor, daß es ihr Spaß gemacht habe, dem Kampf zuzusehen, und daß sie wollte, daß einer der beiden Jungen am Ende tot vor ihr lag. Sie ist an ihrer eigenen ungezügelten Aggression zugrunde gegangen, Kaif. Days Vuuneron befindet sich nicht mehr unter uns. Du kannst sie weder befragen noch verurteilen. Sie hat sich eine Stunde vor deiner Ankunft in der Stadt der Kinder selbst das Leben genommen."
    Kaif Chiriatha schluckte. Die Galornin hatte das Gefühl, daß sich unter ihr ein Loch im Boden auftat und sie hineinstürzte. Ihre Hände zitterten. Alle Versuche, durch Atem- und ähnliche Übungen etwas von ihrer inneren Ruhe zurückzugewinnen, scheiterten kläglich.
    „Wie?" zwang sie sich zu fragen. „Wie hat sie sich ... ?" Ihre Stimme versagte.
    „Mit einem Messer, das sie bis dahin verstecken konnte", berichtete Seda. „Die Kinder müssen es heimlich angefertigt haben, und sie hat es ihnen abgenommen. - Soll ich es dir wirklich genau schildern?"
    Kaif schüttelte den Kopf. Es war bereits Antwort genug. Noch mehr konnte sie an diesem Tag nicht ertragen.
    Mord! Mord und Selbsttötung! Das hat es seit Jahrtausenden unter Galornen nicht mehr gegeben.
    Und nun - beides innerhalb von nur wenigen Stunden.
    „Was geschieht mit uns?" fragte sie wieder, fast lautlos.
    Seda stand aus ihrer Nische auf, kam zu ihr und nahm leicht sie bei der Hand.
    Wie konnte die Erzieherin so beherrscht bleiben?
    Sie führte Kaif zu dem Fenster, aus dem sie so oft auf den Schacht mit dem Drachen geblickt hatten, in der Mitte der Stadt der Kinder.
    Kaif war bereits am Boden zerstört. Sie war von der Weltraumbaustelle nach Helter Baaken zurückgerufen worden, eben wegen der Blutnachricht.
    Nun sah sie wieder das orangefarbene Glühen hinter der hohen Absperrungsmauer. Es kam ihr tatsächlich so vor, als sei es heller und stärker geworden.
    Als könne es sie hier, am geschlossenen Fenster, erreichen und ihr den Atem abklemmen.
    Sie drehte sich um und ging zu dem Hängesitz zurück. Sie hatte Seda an der Hand und bugsierte sie sanft neben sich. Dann lagen sie sich in den Armen und drückten ihre Körper schutzsuchend aneinander.
    Kaif spürte, daß ihre frühere Erzieherin genauso zitterte wie sie. Sie war nicht ruhiger. Seda hatte sich nur besser unter Kontrolle als sie, die es doch gewohnt war, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen.
    Aber hatte sie die Galornen jemals getäuscht? Konnte sie das überhaupt? Falls nein, war das fehlende Reife oder eine Tugend?
    An diesem Abend erzählte sie Seda alles über Ce Rhioton, über das Auftauchen Foremons und der Fremden in der Pentrischen Wolke und was danach geschehen war. Auch über den schrecklichen Roboter von Tribath und dessen Verwüstungen.
    Die Erzieherin hatte vieles geahnt und einiges gewußt. Dennoch schwieg sie fast andächtig, bevor die beiden Frauen es schafften, in die Innere Welt einzutauchen und dort, nahe am Atem des Alles, wenigstens etwas neue Kraft und Hoffnung zu tanken.
    Ihre Hände lagen ineinander, und die eine gab der anderen sowohl körperliche als auch eine seelische Wärme.
    Aber es war nicht so wie früher. Sie fühlten den Puls des Universums, aber sie wurden nicht mehr ganz Teil davon. Eine unsichtbare Haut schien sich zwischen ihnen und dem Alles zu spannen.
    Plötzlich, nach zwei oder drei Stunden, sprang Kaif auf und stieß Seda, als sie ihr folgen wollte, heftig von sich.
    „Ich habe alle Galornen verloren, die ich geliebt habe", sagte sie abwehrend. „Zuerst Dauw, dann mein Kind, Lopt und schließlich Muum Dugesm. Ich will nicht auch dich noch verlieren, Seda - liebe Seele!"
    Damit lief sie zum Lift, ließ sich hinuntertragen und lief weiter, aus dem Haus, zum nächsten Transmitteranschluß. Sie fluchte vor sich hin.
    Zorn!
    Der Schreck, das lähmende Entsetzen über ihre eigene Unbeherrschtheit schnürte ihr die Kehle zu.
    Was geschieht mit uns?
    Sie blickte in den Nachthimmel hinauf, doch der war wie immer trübe und zugezogen. Kein funkelnder Stern gab ihr eine Antwort.
    Alle ihre Ideale, für die sie gelebt
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