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1864 - Vorabend der Apokalypse

Titel: 1864 - Vorabend der Apokalypse
Autoren: Unbekannt
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Park sei dazu am besten geeignet.
    Dero Berool fiel nun zur Seite. Tamm warf sich über ihn, preßte die Knie gegen den Hals des anderen und holte wieder mit dem Stein aus.
    Dieser nächste Schlag mußte, konnte nur tödlich sein. Days hielt den Atem an. Nie war sie so aufgeregt gewesen wie jetzt. Ein Gefühl durchflutete sie, wie sie es in ihrem ganzen Leben nicht gekannt hatte. Es war heiß und elektrisierend.
    Doch dann sah sie es in Deros linker Hand aufblitzen.
    Sie erstarrte fast vor Entsetzen und Enttäuschung.
    So, wie Tamm vorhin nach dem Stein gegriffen hatte, hatte Dero völlig unerwartet ein Messer in der Hand. Wie er zu der verbotenen Waffe gekommen war, spielte jetzt keine Rolle. Die Erzieherin schrie Tamm eine Warnung zu und lief gleichzeitig los, um den Arm des Untenliegenden zu packen und festzuhalten ...
    ... damit Tamm Ganga Dero Berools Schädel mit seinem Stein einschlagen und ein galornisches Leben beenden konnte. Er drosch immer wieder auf den längst Toten ein, bis ihn seine Erzieherin an der Schulter packte und ihm mit vor Erregung heiserer Stimme sagte: „Es ist gut, Tamm."
    Der Junge ließ von Dero ab. Ihre Blicke trafen sich, und Days Vuuneron richtete sich auf und taumelte vor ihm zurück.
    Sie sah das andere Kind reglos am Boden liegen. Sie sah, daß kein Leben mehr in ihm war. Und sie sah, wie Tamm, dem sie geholfen hatte, noch einmal den Stein in den Schädel des Unterlegenen stieß.
    Das war zuviel!
    Sie drehte sich um und mußte sich übergeben. Sie zitterte am ganzen Leib, doch jetzt nicht mehr aus der Erregung beim Anblick des Kampfes heraus, als sie es nicht abwarten konnte, daß endlich Galornenblut spritzte.
    Das war jetzt wie ein zu Ende gegangener Alptraum.
    Ja, dachte sie. Wenn ich mich jetzt zurückdrehe, dann werde ich sehen, daß ich das alles nur geträumt habe. Es ist ... es kann nicht tatsächlich geschehen sein ...!
    Aber Dero Berool lag im Gras, das sich um seinen zerschmetterten Kopf herum rot gefärbt hatte. Und Tamm Ganga hockte vor ihm, berührte seine Füße und kratzte an ihnen, wie um einen Schlafenden wach zu kitzeln.
    Tod!
    „Jetzt bin ich der Stärkste in unserer Gruppe", hörte sie Tamm mit seelenloser Stimme sagen. Er lachte.
    „Es sei denn, es käme ein neuer Herausforderer." ‘ Sie sah Deros Kopf in seinem Blut.
    Sie sah den anderen Jungen, Tamm, der ihr immer schon etwas lieber gewesen war als alle anderen.
    Aber jetzt war sein Gesicht eine einzige Grimasse. Deros Blut klebte an ihm. Sie sah sein diabolisches Lachen, sah, wie er sich in einer Horrorvision in ein Monstrum mit Klauenhänden und einem Raubtierschädel verwandelte.
    Und sie sah Deros Messer.
     
    *
     
    Kaif Chiriatha saß in dem Hängestuhl in jener Nische von Seda Galoers Arbeitsraum, in dem sie ihr schon einige Male gegenübergesessen hatte zuerst als Schülerin, dann als Erwachsene, die ihre Nähe gesucht hatte, genau wie jetzt.
    Auch das war noch nicht lange her.
    Jetzt hatte sie ihr Gesicht in die Hände gestützt. Ihre Augen waren geschlossen und feucht, aber sie weinte nicht. Sie lauschte auf die Geräusche des doppelstöckigen Schulhauses, die jedoch von der Urwaldvegetation in dem Zimmer ihrer ehemaligen Lehrerin fast bis zur Stille gedämpft wurden.
    Kaif Chiriatha war mehr als entsetzt. Sie war bestürzt. In sich fühlte sie eine große Leere. Ihre Gedanken bewegten sich immer noch wie auf schwankenden Stegen. Sie konnte es einfach nicht fassen und hegte irgendwo in sich noch immer die Hoffnung, die schreckliche Nachricht könne sich als ein Irrtum erweisen.
    „Ich kann dir leider nichts anderes berichten, Kaif", sagte Seda Galoer, die inzwischen knapp fünfhundertjährige Erzieherin, sanft. Sie beugte sich vor und berührte mit ihren Fingerspitzen Kaifs rechtes Knie. „Meine liebe Seele, es ist so, wie ich es dir berichten maßte. Du hast mich gebeten, dem ...Vorfall nachzugehen, und ich habe Days Vuuneron daraufhin vernommen. Ich habe sie nicht unter Druck gesetzt, und es dauerte Stunden, bis sie ihre inneren Qualen nicht mehr ertrug und mir beichtete, was gestern wirklich geschehen ist, auf jener Wiese am Nordrand der Stadt der Kinder."
    Kaif hob den Kopf aus den Händen und blickte ihr Gegenüber an.
    „Was geschieht mit uns, Seda?" fragte sie leise. „Wie konnte so etwas nur geschehen?"
    „Ich weiß es nicht", seufzte die erfahrene Erzieherin. „Aber ich habe Angst davor."
    „Wovor?" wollte Kaif wissen. „Du maßt es mir sagen. Wer sonst könnte mir helfen,
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