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1827 - Das vergessene Grab

1827 - Das vergessene Grab

Titel: 1827 - Das vergessene Grab
Autoren: Jason Dark
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verloren hatte. Es gab keine Haut mehr, die normal ausgesehen hätte. Was an Haut vorhanden war, war nur noch ein Film aus Dreck, sie war auch an einigen Stellen gerissen. Augen gab es auch. Sie hatten sich nach vorn geschoben, als wollten sie aus den Höhlen quellen, und aus dem offenen Maul drang diese unsichtbare stinkende Wolke. Aber das war noch nicht alles. Das Schlimmste kam noch, als Henny für einen Moment wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Dieser Mensch, nein dieser Unmensch, er – er kam ihr bekannt vor.
    Ja, sie kannte ihn. Das war doch, das war …
    Aber nein, das ging nicht. Er war tot und …
    Ein Schatten erschien vor ihren Augen, und dieser Schatten wurde sehr kompakt.
    Es war eine Faust.
    Henny Halston hatte den Eindruck, von einem Dampfhammer an der Stirn erwischt worden zu sein. Sie kippte zurück. Ihr Kopf schien zu explodieren. Sie prallte gegen einen der metallenen Spinds und rutschte dann daran hinab.
    Bewusstlos wurde sie nicht, und sie merkte, wie der Gestank nicht nur blieb, sondern sogar noch zunahm. Weit riss sie die Augen auf.
    Was sie sah, war schon schlimm. Vor ihren Augen tauchte das Gesicht auf, und es war diese Wolke aus Leichengestank, die ihr den Atem raubte.
    Und dann sah sie wieder etwas auf sich zukommen. Er waren zwei Hände. Sie sah die gespreizten Finger, die sich nicht ihrem Gesicht näherten, sondern ihrem Hals.
    Und sie griffen zu.
    Henny Halston wollte schreien, doch es war ihr nicht mehr möglich. Augenblicklich wurde ihr die Luft abgedrückt. Nicht mal ein Keuchen brachte sie hervor.
    Und dann drückten die Finger zu.
    Sie waren gnadenlos. Henny riss noch den Mund auf, aber sie bekam keine Luft. Sie wusste nur, dass etwas Furchtbares passierte und sie nichts dagegen tun konnte.
    Der Gestank blieb. Und den nahm sie auch als Letztes wahr, ehe sie die Schatten das Todes in ein anderes Reich zerrten …
    ***
    Tanner, Chiefinspektor und Chef einer Mordkommission, zog ein paar Mal die Nase hoch und schüttelte den Kopf. Dann sagte er nur zwei Worte. »Hier stinkt’s.«
    »Das meine ich auch, Sir«, stimmte ihm sein Assistent zu.
    »Gut. Und wonach stinkt es?«
    »Keine Ahnung.«
    Tanner fixierte ihn scharf. »Wirklich nicht?«
    Der Mann wurde rot im Gesicht. »Doch – aber …«
    »Warum sagen Sie es dann nicht?«
    »Ähm – es ist so, Sir. Ich wollte Ihnen nicht vorgreifen, verstehen Sie?«
    »Nein«, bellte Tanner, der innerlich grinste. »Nun sagen Sie schon was, verdammt.«
    »Gut.« Der junge Mann ging einen Schritt zurück. »Es stinkt nach Verwesung, oder?«
    »Ja, das ist es. Es stinkt nach Verwesung. Nach alten Leichen, und das ist unser Problem.«
    »Genau, Sir.«
    Die beiden Polizisten standen vor dem Saunabau auf dem Gelände mit den Schrebergärten. Tanners Mannschaft war noch in dem Haus, wo die Tote lag. Eine Frau von vierzig Jahren war brutal erwürgt worden. Gefunden hatte sie der Hausmeister, der während der Tat auf einer Fete gewesen war und die Saunabesucher allein gelassen hatte. Bei seiner Rückkehr hatte er dann die Tote gefunden.
    Tanner, der alte Griesgram, kam wieder auf den Geruch zu sprechen. Dazu stieß er seinen grauen Hut aus der Stirn und verschränkte seine Hände hinter dem Rücken.
    »Ich sage Ihnen, dass der Geruch wichtig ist.«
    »Ja, Sir.«
    Tanner begann mit einer kleinen Wanderung und machte daraus einen Kreis. »Und jetzt überlegen Sie mal, Sam, woher der Geruch wohl hätte stammen können?«
    »Von einer Leiche.«
    Tanner blieb stehen. »Richtig.«
    »Und wir haben auch eine Leiche, Sir.«
    »Ja, aber keine, die stinkt oder diesen Gestank abgibt. Das muss etwas zu bedeuten haben.«
    Der Assistent war überfragt und fühlte sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und schaute seinen Vorgesetzten nur an.
    »Keine Meinung?«
    »Es ist zu abstrakt, Sir.«
    »Ja, das meine ich auch«, stimmte Tanner zu, »aber es ist auch eine Tatsache, und das dürfen wir nicht vergessen.«
    »Sicher.«
    Tanner nickte vor sich hin, schaute erst zu Boden und konzentrierte sich dann auf seinen Assistenten.
    »Es steht fest, dass wir einen Mörder suchen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Aber ich frage mich natürlich, was für einen Mörder wir suchen. Begreifen Sie das?«
    »Klar.«
    Tanner sprach weiter. »Und können Sie sich vorstellen, dass wir einen Mörder suchen, der einen Leichengeruch abgibt?«
    »Nein.«
    »Das ist aber der Fall.«
    Der Assistent holte tief Luft. »Und wer käme
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