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1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)

1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)

Titel: 1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)
Autoren: Andreas Platthaus
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Zeit, des Windmühlentors, einem der Zugänge zu den Leipziger Vorstädten, die am 19. Oktober von den Alliierten gestürmt wurden. An seinem ursprünglichen Standort im Südosten der Stadt führte es allerdings auf keine der wichtigen Landstraßen, sondern nur auf Feldwege. Die elegante Gestalt des Tors macht klar, dass es bei seiner Errichtung im achtzehnten Jahrhundert schon nicht mehr zur Verteidigung gedacht war, und ein Torhaus wie an den wichtigeren Eingängen im Befestigungsgürtel der Innenstadt gab es am Windmühlentor auch nicht. Zwar war es wie alle anderen Zugänge zu den Vorstädten schon vor dem 16. Oktober verbarrikadiert worden, aber die am 19. Oktober angreifenden russischen Truppen hatten trotzdem wenig Mühe, die Sperre zu überwinden; erst in der dahinter liegenden extrem langen und engen Windmühlengasse, die zum Rossmarkt führte, waren heftige Kämpfe gegen die Verteidiger zu bestehen. [445] Als das Tor 1862 abgebrochen wurde, kaufte der Eigentümer des Ritterguts von Wachau die gut erhaltenen Bestandteile und ließ sie hier wieder aufbauen.
    Der Garten dieses Herrensitzes hätte am 14. Oktober beinahe kriegsentscheidende Ereignisse gesehen, denn Napoleons Schwager Murat, der König von Neapel, hatte hier sein Hauptquartier und war im Park auf der Suche nach einem Aussichtspunkt, um im Vorfeld des Reitergefechts von Liebertwolkwitz das Herannahen der Alliierten zu beobachten: «Er bestieg mit mehreren Offizieren eine hohe Linde im herrschaftlichen Garten, die mit einer Gallerie versehen ist, zu welcher eine Treppe führt, um die Russische und Preußische Reiterey zu rekognoszieren. Der Feind, der die Menschen auf der Gallerie bemerkt haben mochte, sandte eine Kanonenkugel dahin, die aber nur einen Ast wegschleuderte. Der König stürzte sich mit seinem Gefolge Hals über Kopf die Treppe hinunter.» [446] Von dem riesigen Baum, den alte Stiche zeigen, ist nichts mehr zu sehen, und vom Herrensitz ist nur noch das später aufgebaute Windmühlentor erhalten geblieben: Die Gebäude des Ritterguts wurden im Dezember 1943 durch eine britische Luftmine weitgehend zerstört, amerikanische Brandbomben besorgten im Februar 1945 den Rest.
    Das war die zweite Zerstörung Wachaus, 130 Jahre nach der Völkerschlacht, die das Dorf schon seine Kirche gekostet hatte. Deren 1865 endlich errichtete Nachfolgerin aber steht auf ihrem Hügel über dem Marktplatz gleichfalls als Ruine, denn in das seit 1945 schon schwer beschädigte Gebäude war 1974 der Blitz eingeschlagen und hatte zerstört, was noch intakt war. Die immerhin mittlerweile gesicherte Ruine macht das stille Wachau nolens volens zu einem Ort, an dem man erahnen möchte, wie die Dörfer rund um Leipzig nach der Völkerschlacht ausgesehen haben, auch wenn kaum noch etwas erhalten ist, was damals hier stand.
    Erinnerungsmale dagegen gibt es an diesem Flecken viele, allerdings gehören sie alle nicht unmittelbar hierher. Mitten auf dem Marktplatz steht ein weiterer Quader, den der «Verein zur Feier des 19. Oktober» 1854 errichtet hat, der aber ursprünglich auf dem Wachtberg stand, eine halbe Stunde südlich von hier. Dort befand sich am 16. Oktober 1813 der Befehlsstand der Alliierten, von dem aus Zar Alexander, Kaiser Franz und König Friedrich Wilhelm das Geschehen rund um Wachau verfolgten und wo sie am späten Mittag fast von Napoleons Kavallerie überrannt worden wären, als die ihren großen Ausfall von Auenhain her unternahm. Doch der Wachtberg ist weg, abgeräumt im Zuge der Braunkohleförderung, und den Erinnerungsstein hat man hierhin gesetzt, genauso wie das verstümmelte Österreicherdenkmal, das im Rittergutspark zu finden ist. Es stand früher neben der Bornaer Chaussee vor Auenhain, und heute ist nicht mehr davon übrig als eine Tafel im Sockelfragment. Eine Ähnlichkeit zu seinen vier gut erhaltenen Geschwistern rund um Leipzig gibt es nicht mehr: Alles, was aus Bronze war, Adler, Kränze, Umzäunung, ist 1942 eingeschmolzen worden, weil das Denkmal ohnehin schon beschädigt war. Als dann in den siebziger und achtziger Jahren der Tagebau weiter vorstieß, wurde das Denkmal hierher verlegt, und weil man bei der Kohleförderung auch noch auf Überreste von Gefallenen des Jahres 1813 gestoßen war, deren Armeezugehörigkeit anhand ihrer Ausrüstung identifiziert werden konnte, stehen aus DDR-Zeiten zusätzlich zwei unscheinbare Gedenktafeln für russische und französische Soldaten im Rittergutspark.
    Landschaftlich dürfte mit dem
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