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1719 - Die Totenliste

Titel: 1719 - Die Totenliste
Autoren: Unbekannt
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eine Durchsetzungskraft, die ihn von seinen Mitmenschen abhoben.
    Sämtliche Organe der LFT-Exekutive waren ihm untergeordnet, seitdem er Anfang des Jahres zum Kommissar ernannt worden war - der erste Mann seit vielen Jahren in diesem Rang, weil in der Vergangenheit kaum Bedarf an solchen Entscheidungsträgern bestanden hatte. Schwierige Probleme waren meist von Homer G. Adams und den übrigen Aktivatorträgern angegangen worden.
    Doch diese standen derzeit nicht zur Verfügung. Im Februar 1213 NGZ waren sie mit der BASIS erneut zur Großen Leere aufgebrochen.
    Zwischen ihnen und der Milchstraße lag eine Entfernung von mindestens 225 Millionen Lichtjahren.
    Niemand auf den solaren Welten konnte ahnen, wie weit die Unsterblichen tatsächlich von ihnen fort waren.
    Sheremdoc spielte mit dem scheuen Mathematiker, und tatsächlich brachte er ihn abermals zu einer Trotzreaktion.
    „Die Namen klingen terranisch, weil es keine Namen sind, die sich irgendwelchen heute existierenden Menschen zuordnen lassen", schrie Sebastian fast. Er schwitzte. „Wir haben die Liste immer wieder überprüft, zuletzt vor einer Viertelstunde. Und es gibt keinen real existierenden Namen und keine im Solsystem lebende Frau, die einen dieser Namen tragen."
    „Aber die Namen sind alle verschieden?"
    „Natürlich nicht", erwiderte Aaron. Die Frage schien ihm reichlich naiv vorzukommen. „Bei so vielen Menschen... gibt es immer wieder gleiche Vor- und Nachnamenkombinationen. Das berücksichtigen wir entsprechend. Aber es sind keine heutigen Namen. Entweder erfindet NATHAN sie einfach, was keinen Sinn ergäbe - oder es sind Namen aus einer potentiellen Zukunft. Oder aus der Vergangenheit. Dann wäre es eine Totenliste. Wir sind auch hier bei der Überprüfung."
    Sheremdocs Finger wanderten wie spielerisch über ein Sensorfeld neben sich auf dem Tisch. Wie aus dem Nichts baute sich aus Formenergie ein Sessel auf und schob sich von hinten so in Sebastians Kniekehlen, daß der Mondgeborene mit einem Ausruf der Überraschung einfach hineinfiel.
    „Ich kann es nicht leiden, wenn Leute steif sind", erklärte Sheremdoc.
    Als Sebastian aufspringen wollte, drohte er ihm mit dem Finger. „Wie lang war die Liste, vor dieser Viertelstunde?"
    „Sie umfaßte genau achthundert Millionen Namen", erwiderte Aaron mit holpriger Stimme. „Bei jeder vollen Hundertmillion lassen wir eine Ausgabe machen."
    Sheremdoc hob die linke Braue. Seine hohe, kantige Stirn unter der polierten Glatze legte sich in Falten. Das wuchtige Kinn schob sich ein Stückchen weiter vor, die Miene des LFT-Kommissars wurde noch verkniffener. Sheremdoc war mit seinen 99 Jahren kein Mann, den eine zartfühlende Mutter sich unbedingt gerne zum Schwiegersohn gewünscht hätte. Es sei denn, sie bewunderte „harte Männer". Seine tatsächliche oder zur Schau getragene Gefühlskälte machte den eiskalten Logiker nicht gerade zu einem Mann, dem die Sympathien seiner Umgebung auf Anhieb zuflogen. Das Gegenteil war der Fall. Sheremdoc, das Arbeitstier, stellte seine Aufgabe über alles und konnte es sich nicht leisten, Rücksichten zu nehmen.
    Der Mann hatte das allerdings auch nicht nötig, um sich durchzusetzen.
    Seine Nervenstärke, sein Mut und seine Hartnäckigkeit sprachen für sich, noch mehr seine bisherigen Erfolge. Manche Leute hielten ihn für unfehlbar, und er tat nichts, um dem entgegenzutreten.
    „Und wie weit ist NATHAN in diesem Augenblick?" wollte er von Aaron Sebastian wissen. „Vorausgesetzt, die Liste läuft weiter?"
    Der Kybernetiker wischte sich über die Stirn und lachte hilflos.
    „Eine Milliarde, eher schon mehr", antwortete er krächzend. „Es geht so unglaublich schnell. Und..."
    „Und?" fragte Sheremdoc. „Und was?"
    Aaron Sebastian sprang auf.
    „Und es läßt sich nicht stoppen. Kann ich jetzt gehen?"
    „Du solltest selber wissen, ob du das kannst", versetzte Sheremdoc.
    „Und du solltest auch wissen, daß du nichts erreichst. NATHAN blockt alles ab. Er brütet etwas aus, und er läßt sich dabei nicht in die Karten blicken."
    „Kann... darf ich jetzt gehen?" fragte Sebastian wie ein trotziges Kind.
    „Ich wünsche es", antwortete Sheremdoc. „Ich muß über einiges nachdenken. Allein."
    Sebastian verließ aufatmend den Raum. Sheremdoc blickte hinter ihm her, und plötzlich wirkte er gar nicht mehr so überlegen und selbstsicher.
    Er fürchtete keinen Gegner. Er war noch nie einer Herausforderung ausgewichen.
    Allerdings hatte er es auch noch nie mit
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