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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Autoren: Karl May
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sieh nach!“ sagte ich. „Er wird genau eine Handbreit vom Stamm abgeschnitten sein, und zwar scharf, wie mit dem Messer, denn die Schneide des Beiles hat ihn getroffen.“
    Israd machte ein verblüfftes Gesicht, daß ich hellauf lachen mußte.
    „Habe ich es nicht gesagt?“ rief Halef. „Was der Effendi will, das kann er. Osco, gib ihm das Geld! Es sind die Piaster des Triumphes, welche er einstecken mag.“
    Natürlich nahm ich nur meinen Einsatz wieder, und Israd erhielt sein Geld zurück. Er konnte sich nur schwer beruhigen und erging sich, als wir bereits längst wieder unterwegs waren, in den verschiedensten Ausrufen der Verwunderung.
    Mir aber war es lieb, gesehen zu haben, daß ich mich auf meine Hand verlassen könne.
    Nach dieser kurzen Unterbrechung unseres Rittes erlitt derselbe keine weitere Störung. Es wurde Nacht, und Israd erklärte, daß wir in ungefähr einer Stunde in Treska-Konak ankommen würden.
    Wir kamen wieder durch Wald, welcher glücklicherweise nicht dicht war, und dann senkte sich die Höhe. Es gab Weideland, und dann hörten wir Hunde bellen.
    „Das sind die Samsunlar (Schäferhunde) meines Verwandten“, erklärte Israd. „Grad vor uns liegt der Konak am Fluß und links das Haus meines Schwagers. Wir wollen aber einen Bogen schlagen. Es könnte ein Knecht des Konakdschy im Freien sein und uns bemerken.“
    Wir wichen nach links ab, bis wir den Fluß erreichten, und ritten nun am Ufer hin bis an das Wohnhaus des Schäfers.
    Da war ein langes, niedriges, nur aus dem Erdgeschoß bestehendes Gebäude. Einige Fensterläden standen offen, und aus ihnen schimmerte Licht. Die Hunde fuhren mit wütendem Gebell auf uns los, beruhigten sich aber sogleich, als sie die Stimme Israds erkannten. Ein Mann steckte den Kopf durch das Fenster und fragte:
    „Wer ist da?“
    „Ein guter Bekannter.“
    „Israd ist's! Frau, der Schwager ist da!“
    Der Kopf verschwand; gleich darauf wurde die Tür geöffnet, und die Alten eilten herbei, um Israd zu begrüßen. Auch der ältere Sohn kam, um ihn zu umarmen. Dann sagte der Schäfer:
    „Du bringst uns Leute mit. Werden sie bei uns bleiben?“
    „Ja; aber sprich nicht so laut. Der Konakdschy darf nicht merken, daß diese Männer hier sind. Sorge vor allen Dingen dafür, daß unsere Pferde in den Stall kommen.“
    Es war nur ein niederer Schafstall vorhanden, in welchem ich mit dem Kopf an die Decke stieß. Mein Rappe weigerte sich, hinein zu gehen. Der Geruch der Schafe war seiner edlen Nase zuwider, und nur durch Streicheln und Zureden gelang es mir, ihn folgsam zu machen. Dann begaben wir uns in die Stube oder vielmehr in das, was man eben heute Stube nannte, denn der einzige große Raum, welchen das Wohnhaus bildete, wurde nur durch die schon oft erwähnten Weidengeflechte in verschiedene Abteilungen geschieden. Man konnte eine jede derselben durch Verschiebung dieser Scheidewände beliebig vergrößern oder verengern.
    Es waren nur Vater, Mutter und Sohn zu Hause. Die Knechte befanden sich bei den Schafhürden, und Mägde gab es nicht.
    Israd nannte unsere Namen und erzählte zunächst, daß wir seine Schwester gerettet hatten. Das hatte zur Folge, daß wir eine außerordentlich herzliche Aufnahme fanden. Der Sohn begab sich in den Stall, um unseren Pferden gutes Wasser und das beste Futter zu geben, und die Eltern trugen herbei, was im Hause vorhanden war, damit wir ein festliches Mahl halten könnten.
    Natürlich bewegte sich das Gespräch zunächst um das, was sie am meisten interessierte, die Rettung ihrer Schwiegertochter. Dann kamen wir auf den Zweck unserer Reise zu reden, und ich erfuhr, daß die Gesuchten in dem Konak angekommen waren.
    Nun erzählte ich in kurzen Umrissen, warum wir denselben folgten, und erregte dadurch ein nicht geringes Erstaunen.
    „Sollte man es glauben, daß es solche Leute gibt!“ rief die alte Frau, indem sie die Hände zusammenschlug. „Das ist ja ganz schrecklich!“
    „Ja, schrecklich ist es“, nickte ihr Mann; „aber zu wundern brauchen wir uns nicht darüber, da sie Anhänger des Schut sind. Das ganze Land könnte Gott auf den Knien danken, wenn diese Geißel des Volkes einmal unschädlich gemacht wäre.“
    „Weißt du vielleicht etwas näheres über den Schut?“ fragte ich ihn.
    „Ich weiß auch nicht mehr als du und andere. Wüßte man seinen Wohnort, so würde man auch ihn selbst kennen, und dann wäre es mit ihm aus.“
    „Das ist noch die Frage. Ich bin überzeugt, daß die Behörde mit ihm
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