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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Autoren: Karl May
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wollte, wog das Beil prüfend in der Hand und holte dann zum Wurf aus. Das Beil flog sehr nahe an der Esche vorüber, ohne sie jedoch zu berühren.
    „Dieser Czakan ist schwerer als der meinige“, entschuldigte er sich, während Halef die Waffe herbeiholte. „Das zweite Mal werde ich treffen.“
    Er traf bei dem nächsten Wurf das Ziel, aber nicht mit der Schärfe des Beiles, sondern nur mit dem Stiel. Aber der dritte Probewurf gelang besser, denn die Axt traf den Stamm, leider aber nicht so, daß die Schneide in demselben stecken blieb.
    „Das tut nichts“, meinte er. „Das war ja nur zur Probe. Nachher treffe ich gewiß, denn ich kenne jetzt das Beil. Nun du, Effendi!“
    Ich nahm mir im stillen nicht die Esche zum Ziel, sondern einen weit hinter derselben stehenden alten Weidenstamm, der gänzlich ausgehöhlt war und nur einen einzigen, grad emporstehenden Ast hatte, welcher eine kleine Krone von beblätterten Zweigen trug.
    Zunächst mußte ich die Hand an das Gewicht des Czakans gewöhnen; darum geschah der Wurf ganz in derselben Weise, wie derjenige Israds gewesen war. Ich wollte die Weide nicht treffen, sondern nur Richtung nehmen. Darum flog das Beil weit links von der Esche vorüber und bohrte sich dort in den weichen Boden ein.
    „O Himmel!“ lachte unser Führer. „Du willst die Wette gewinnen, Effendi?“
    „Ja“, sagte ich ernsthaft.
    Trotzdem gerieten die beiden nächsten Probewürfe scheinbar noch schlechter, als der erste. Aber ich ließ mich mit Vergnügen von Israd auslachen, denn ich war überzeugt, daß ich, wenn es nun galt, das Ziel nicht fehlen würde.
    Halef, Omar und Osco lachten mit – sie ärgerten sich im stillen darüber, daß ich auf die Wette eingegangen war, ohne gewiß zu sein, sie gewinnen zu müssen.
    „Die Probe ist vorüber“, sagte Israd. „Nun wird es ernst. Wer wirft zuerst?“
    „Du, natürlich.“
    „So wollen wir vorher das Geld zahlen, damit dann kein Irrtum vorkommt. Osco mag es in seine Hand nehmen.“
    Der gute Mann hatte mich also im Verdacht, daß ich mich weigern würde, die hundert Piaster zu zahlen. Er war ja vollständig überzeugt, die Wette zu gewinnen. Ich gab Osco das Geld. Mein Gegner zahlte seine wenigen Piaster und griff dann nach dem Beil.
    Seine Fertigkeit war wirklich nicht unbedeutend. Er traf alle drei Male den Stamm, aber nur beim letzten Mal blieb die Axt in demselben stecken.
    „Keinmal gefehlt“, jubelte er. „Und einmal saß der Czakan sogar fest. Mache es mir nach, Effendi!“
    Jetzt mußte ich nach indianischer Art und Weise werfen, wenn ich treffen sollte. Ich holte aus, wirbelte den Czakan um den Kopf und erteilte ihm jene rotierende Bewegung, welche beim Billardspiel als ‚Effekt‘ bezeichnet wird. Das Beil sauste, sich um sich selbst drehend, am Boden hin, stieg empor, senkte sich dann plötzlich wieder nieder und fuhr in den Stamm der Esche, in welchem es sitzen blieb.
    Meine Gefährten jubelten laut auf. Israd aber sagte, indem er mit dem Kopf schüttelte:
    „Welch ein Zufall, Effendi! Es ist kaum zu glauben.“
    „Zufall? Da irrst du dich außerordentlich“, antwortete ich.
    Halef holte das Beil zurück, und ich schleuderte es noch zweimal in die Esche. Die Gefährten jubelten; Israd aber wollte noch immer nicht glauben, daß ich diesen Erfolg nicht dem bloßen Zufall zu verdanken habe.
    „Wenn du noch nicht überzeugt bist“, sagte ich, „so will ich dir jetzt einen vollgültigen Beweis geben. Sieh die alte ausgehöhlte Weide dort hinter der Esche!“
    „Ich sehe sie. Was ist's mit ihr?“
    „Ich werde nach ihr werfen.“
    „Herr, sie ist weit über hundert Schritt entfernt. Du willst sie wirklich treffen?“
    „Nicht nur das, sondern ich will den einen Ast treffen, welchen sie hat, und zwar so, daß er höchstens eine Handbreit über dem Stamm von dem Czakan abgeschnitten wird.“
    „Herr, das wäre ein Wunder!“
    „Nach den bisherigen sechs Würfen ist mir die Waffe so handgerecht, daß ich gar nicht fehlen kann. Ich werde nun erst jetzt dem Czakan die richtige Doppeldrehung geben, und du wirst sehen, daß er, sobald er am Boden aufgestiegen ist, ganz plötzlich, wie mit einem Ruck, eine dreifache Schnelligkeit erhält. Paß einmal auf!“
    Der Wurf gelang in der vorausgesagten Weise. Das Beil wirbelte an der Erde hin, stieg langsam empor und flog dann mit plötzlich vermehrter Schnelligkeit wieder abwärts und auf die Weide zu. Im nächsten Augenblick lag der erwähnte Ast am Boden.
    „Geh hin und
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