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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Autoren: Karl May
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Kunst versucht?“
    „Nicht mit einem Czakan, sondern mit anderen Beilen.“
    „Wo ist das gewesen?“
    „Weit von hier, in Amerika, wo es wilde Völker gibt, deren Lieblingswaffe das Beil ist. Von ihnen habe ich den Gebrauch desselben gelernt, und es wird dort Tomahawk genannt.“
    „Aber ein Wilder kommt einem Miridit unmöglich gleich!“
    „Ganz im Gegenteil. Ich glaube nicht, daß ein Skipetar seinen Czakan so geschickt zu schleudern versteht, wie ein Indianer seinen Tomahawk. Der Czakan wird in gerader, der Tomahawk aber in der Linie des Bogens geworfen.“
    „Sollte das wirklich jemand zu tun vermögen?“
    „Jeder rote Krieger vermag es, und auch ich.“
    Seine Wangen hatten sich gerötet, und seine Augen leuchteten. Jetzt hielt er sein Pferd an, stellte es quer vor das meinige, so daß auch ich zum Anhalten gezwungen war, und sagte:
    „Effendi, du mußt verzeihen, daß ich so eifrig bin. Was bin ich gegen dich! Und dennoch wird es mir schwer, deinen Worten zu glauben. Ich will dir gestehen, daß ich ein Czakanwerfer bin, der es mit jedem anderen aufnimmt. Darum weiß ich, welche Jahre der Übung es erfordert, Meister dieser Waffe zu werden. Leider habe ich mein Beil nicht bei mir.“
    „Ich habe freilich noch nie einen Czakan geworfen“, lautete meine Antwort, „aber ich denke, wenn ich auch das erste oder zweite Mal das Ziel verfehle, der dritte Wurf würde gelingen.“
    „Oh, oh, Herr, denke das nicht!“
    „Ich denke es, und ich würde das Beil kunstreicher werfen, als du.“
    „Wieso?“
    „Wenn ich es werfe, so streift die Waffe eine Strecke weit ganz unten am Boden hin, dann steigt sie in die Höhe, macht einen Bogen, senkt sich nieder und trifft ganz genau dort auf, wo es meine Absicht war, zu treffen.“
    „Das ist ja ganz und gar unmöglich!“
    „Es ist wirklich so.“
    „Effendi, ich nehme dich bei deinem Wort. Wenn ich viel Geld bei mir hätte, würde ich dich auffordern, zu wetten.“
    Er war vom Pferd gestiegen. Es hatte ihn eine solche Begeisterung ergriffen, daß es mir innerlich Spaß bereitete.
    „Armer Teufel!“ sagte Halef, indem er eine seiner stolzen Armbewegungen machte.
    „Wen meinst du damit?“ fragte ihn Israd.
    „Dich natürlich.“
    „So meinst du etwa, daß dein Effendi die Wette gewinnen würde?“
    „Ganz gewiß.“
    „Hast du ihn einmal den Czakan werfen sehen?“
    „Nein, aber was er will, das kann er. Sihdi, ich rate dir, mit diesem jungen Mann zu wetten. Er wird bezahlen und dich um Verzeihung bitten müssen.“
    Es war eigentlich ein kleiner Unsinn, auf den Vorschlag Israds einzugehen. Wenn wir uns wegen dieser Spielerei hier verweilten, ging uns die Zeit verloren. Aber es kam auf einige Minuten doch nicht an, und sodann war ich selbst neugierig, ob es mir gelingen werde, mit dem Czakan dasselbe auszuführen, wie mit dem Tomahawk. Dieser Versuch war gar nicht überflüssig, denn es konnte sich jeden Augenblick die Veranlassung ergeben, in vollem Ernst zu dem Beil zu greifen. Da war es gut zu wissen, ob ich mit demselben umzugehen verstehe. Darum fragte ich den Führer:
    „Wieviel Geld hast du denn bei dir?“
    „Fünf oder sechs Piaster nur.“
    „Ich setze hundert Piaster dagegen. Welche Bedingungen stellen wir auf?“
    „Hm!“ antwortete er nachdenklich. „Du hast noch nie mit einem Czakan geworfen, und ich bin den deinigen nicht gewohnt. Es wird also geraten sein, daß wir erst einige Versuchswürfe machen, vielleicht drei?“
    „Einverstanden.“
    „Dann aber hat jeder nur einen einzigen Wurf nach dem Ziel, welches wir uns stellen“, meinte er.
    „Das ist zu hart. Grad dieser Wurf kann durch einen Zufall mißlingen.“
    „Nun gut, also drei Würfe jeder. Wer am besten wirft, bekommt das Geld. Wir werfen nach dem nächsten Baum da vor uns. Es ist ein Dischbudak aghadschy (Esche). Das Beil muß in seinem Stamm stecken bleiben.“ Wir hatten unweit eines Wasserlaufes angehalten. Es war wohl derselbe Bach, welcher hinter uns in dem Tal entsprang, nach welchem unser Abstecher gerichtet gewesen war. Am Rande des Wassers standen einzelne Bäume: Eschen, Erlen und auch alte, knorrige Weiden, aus deren Häuptern junge Ruten hervorgeschossen waren. Der uns am nächsten stehende Baum war die erwähnte Esche, welche ungefähr siebzig Schritte von uns entfernt war.
    Ich stieg ab und gab Israd den Czakan. Er nahm mit ausgespreizten Beinen festen Halt, drehte den Oberleib in den Hüften, als ob er die Zuverlässigkeit dieser Gelenke erproben
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