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1696 - In den Ruinen des Mars

Titel: 1696 - In den Ruinen des Mars
Autoren: Unbekannt
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Sheravyl-Gebiet war völlig aus den Fugen geraten. Was sich zu einer Parklandschaft hätte entwickeln sollen, hatte sich in ein undurchdringliches, von Leben geradezu berstendes Ungeheuer verwandelt, das Anstalten gemacht hatte, sich alles erreichbare Leben einzuverleiben, als ob es nach und nach den ganzen Planeten verschlingen wolle. Erst in letzter Sekunde war es Tyler Danning gelungen, die Ausdehnung dieses Monstrums zu bremsen und es halbwegs unter Kontrolle zu bringen. Das war im März des Jahres 1200 NGZ gewesen. Seit jenem Datum war der Wissenschaftler vor allem damit beschäftigt gewesen, die unverhofft zutage getretene Monstrosität im Zaum zu halten und nach den Ursachen ihrer Fehlentwicklung zu forschen. Der Auftrag, klang einfach, nach routinierter Arbeit im Labor, die von Syntroniken unterstützt wurde und eigentlich nicht sehr viel Zeit hätte in Anspruch nehmen dürfen. Die Wirklichkeit hatte sich anders dargestellt - auch jetzt, im Dezember 1212 NGZ, war man von einer Lösung des Rätsels noch immer weit entfernt.
    Den Grund dafür konnte Tyler Danning auf dem Bildschirm erkennen. Im Sheravyl-Biotop liefen fast alle bekannten Lebensvorgänge in einem Tempo ab, wie es nie zuvor beobachtet worden war. Daß die Zellkerne der Einzeller nicht scharf zu beobachten waren, lag nämlich an der einfachen Tatsache, daß sie sich unaufhörlich veränderten. Die DNS-Strukturen dieser Zellen waren immer nur für Sekundenbruchteile stabil, dann rissen die Molekülketten wieder auseinander. Die Bausteine, aus „denen sie bestanden, gruppierten sich neu, setzten sich zu einer Doppelhelix zusammen, wirkten kurz auf ihre Umgebung ein - daher die Unschärfe bei den Mitochondrien und der Zellmembran - und zerfielen erneut in Einzelteile. „Bei diesem Tempo", sagte Sheldon Freece nachdenklich, „könnte die Zelle eigentlich gar nicht existieren und eine erkennbare Form ausbilden. Im Grunde ist diese Lebensform gar nicht möglich."
    Tyler Danning deutete auf den Bildschirm. „Und doch existiert sie", merkte er trocken an. „Und wie sie existiert!" Veränderungen gab es nicht nur im Inneren der Zelle. Immer wieder geschah es, daß zwei oder mehr dieser Zellen miteinander verschmolzen, sich zu größeren und komplexeren Gebilden vereinigten - um wenig später wieder abzusterben und neue Kombinationen zu bilden. Geißeln formten sich aus und verschwanden wieder, das Zellinnere wechselte die Farbe, das Protoplasma trübte sich - aber alle diese Phänomene waren nicht von langem Bestand. Ursprünglich hatte diese Fähigkeit zu den besonderen Eigenheiten des Sheravyl-Plans gehört. Seit langem war bekannt, daß man in der DNS - der Desoxyribonukleinsäure - einer Zelle erheblich mehr Informationen „speichern" konnte, als die Zelle zu ihrer Entstehung und Funktion brauchte; ein beträchtlicher Anteil der sogenannten Erbinformationen war gewissermaßen leer, Füllmaterial ohne besondere Funktion, dem tauben Gestein vergleichbar, das Erze und andere Mineralien umgab. Bei der Konstruktion des Sheravyl-Genoms hatte man sich diese Tatsache zunutze machen wollen.
    Das Füllmaterial war durch andere Informationen ersetzt worden, das genau kalkulierte Funktionen hatte erledigen sollen. Auf einer vergleichsweise kleinen Fläche angesetzt, sollte das Sheravyl-Genom auf dem Boden des Mars Fuß fassen und zu wachsen beginnen. Sobald das geschehen war, sollte die evolutionäre Entwicklung dieses Lebens gleichsam im Zeitraffer vonstatten gehen - aus primitiven Einzellern sollten Mehrzeller werden, dann größere Zellverbände, später Pflanzen aller Art. Gespeist werden sollte diese rasche Entwicklung dadurch, daß Leerlauf und Fehler durch die enggepackten DNS-Informationen vermieden werden sollten. Außerdem hatte man dieses Leben mit einem Wachstumsbeschleuniger versehen, der die Entwicklung rasant hatte vorantreiben sollen. Und genau das war geschehen - nur hatte das Sheravyl-Biotop die ihm einprogrammierten Gen-Pfade wegen der Hyperraum-Parese verlassen und war eigene, unheimliche Wege gegangen. Tyler Danning konnte es sehen: Drei Zellen fanden sich zusammen, verschmolzen miteinander. Eine vierte Zelle, die mit diesem Großgebilde Kontakt bekam, wurde blitzartig aufgesogen und einverleibt. Einen Augenblick später platzte das Gebilde auseinander, seine Inhaltsstoffe spritzten umher. Ein Tropfen traf eine weitere Zelle, die sofort verging: Wahrscheinlich war sie mit jener Säure in Berührung gekommen, mit der sich das
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