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1663 - Insel der Schatten

Titel: 1663 - Insel der Schatten
Autoren: Unbekannt
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tobte jetzt so stark, daß eine normale Verständigung kaum möglich war. „Kapitän!" brüllte Norfertus und winkte Klundan heftig zu sich heran. „Sieh dir das an! Die Nadel spielt verrückt!"
    Er tippte mit dem spitzen Ende seines Arms auf die Schräge hinter dem Ruderrad. Klundan kämpfte sich gegen den Wind heran.
    Im Holz wölbte sich eine kleine Mulde, die mit einer Glasscheibe abgedeckt war. Da auf Owigorn immer Tag herrschte, fehlte jegliche Beleuchtung in Form einer Wachskerze oder Öllampe. „Warte auf den nächsten Blitz!" rief der Steuermann. „Dann wirst du sehen, daß die Nadel nicht mehr funktioniert."
    Eine ganze Serie von Blitzen erhellte das Deck.
    Und da sah es auch Klundan.
    Unter der Glasscheibe stand normalerweise eine Art Nadel, dreh- und gleichzeitig kippbar gelagert, aus dunklem Magnetmetall auf einer Kugelspitze. Das Metall hatte in seinem Schwerpunkt eine halbkugelförmige Mulde, die genau auf die Kugelspitze paßte.
    Das verzierte Ende der Nadel wies aufgrund einer unerklärlichen Laune der Götter oder der Natur immer in eine Richtung und zwar nach Norden. Und aus der Kipprichtung konnte man in etwa ablesen, auf welchem Breitengrad man sich befand.
    Auf dem Äquator blieb die Nadel waagrecht. Je weiter man nach Norden gelangte, desto größer wurde der Kippwinkel. Einem Gerücht zufolge sollte es im fernen Norden in den Eismeeren einen Punkt geben, an dem sich die Nadel senkrecht stellte und aus der Kugelspitze fiel.
    Die Seeleute benutzten die Nadeln zur Navigation. Eine andere Möglichkeit hatten sie ja nicht, denn die Sonne Culla stand ständig - von jedem Punkt aus betrachtet - genau im Zenit.
    Und eine Nacht, in der man sich nach der Konstellation der Sterne richten konnte, gab es auf Owigorn nicht.
    Die Nadel der ZYNC zuckte völlig willkürlich in alle denkbaren Richtungen. Dabei drehte und kippte sie hin und her. Bisweilen drehte sie sich so schnell, daß sie kaum noch zu erkennen war. „Wir sind verloren!" jammerte Norfertus. „Unsinn!" schimpfte Klundan. „Halte nur gegen den Wind. Es ist eine Binsenweisheit, daß die Nadeln bei schweren Gewittern zeitweise aussetzen. Schau gar nicht hin. Richte dich nach dem Wind. Er kommt aus Süden."
    Das Versagen der Nadel bereitete dem Seefahrer größeren Kummer, als er zugeben wollte.
    Das war ein böses Omen.
    Vielleicht hätte er das Großsegel mit dem schützenden Quidor-Symbol doch nicht einholen lassen sollen. Für eine Korrektur des möglichen Fehlers war es aber längst zu spät.
    Die Brecher, die nun über das Oberdeck schlugen, wurden höher. Einer davon erwischte das gereffte Hauptsegel und riß es aus der Befestigung.
    Das Tuch schlug wild übers Deck und hätte um ein Haar einen Matrosen über die Reling geworfen. In letzter Sekunde sprang Klundan hinzu und zerrte den Mann zur Seite.
    Nun folgte ein Brecher nach dem anderen. Einige reichten bis in die Höhe des Krähennests.
    Das Segeltuch schlug und flatterte wie wild, obwohl es an den Quermasten eingerollt und befestigt worden war. Es zerrte am Hauptmast, bis dieser unter einer neuen Welle abknickte.
    Gräßliche Geräusche durchbrachen das Tosen des Sturms, als der halbe Mast mit dem Segel gegen den Kajütenaufbau prallte, dort erneut in die Höhe gerissen wurde, schließlich auf der Backbordseite durch die Reling schlug und irgendwo in der trüben Dunkelheit verschwand.
    Die Männer an den Mulden arbeiteten wie die Wilden, aber das Wasser stieg immer höher.
    Allein schafften sie es nicht mehr.
    Ein Matrose kam aus dem Unterdeck und kämpfte sich zu Klundan durch. „Die Männer an der Pumpe kommen nicht mehr mit", keuchte er. „Das Wasser steigt zu schnell. Sie brauchen Hilfe. Wir müssen noch mehr Pumpen anwerfen."
    „Ich brauche auch Hilfe!" rief Norfertus, der das Ruder nicht mehr halten konnte.
    Die Brecher kamen zum Teil von Steuerbord und drohten die ZYNC irgendwann zum Kentern zu bringen.
    Am Bugmast begannen sich auch die gerefften Segel zu lösen. Der Sturm zerrte massiv an der Takelage. Klundan mußte dort unbedingt vier oder fünf Männer hinschicken: Wenn er noch einen Mast verlor, konnte er aufgeben.
    Die Urgewalten des Wirbelsturms erreichten ihren Höhepunkt. „Das Auge des Sturms!" schrie Norfertus und deutete voraus, wo es heller wurde.
    Klundan wußte, was das bedeutete. Für einige hundert Atemzüge würde Ruhe herrschen. Eine trügerische Ruhe, denn wenn die ZYNC das ruhige Zentrum des Wirbelsturms passiert hatte, würden die Gewalten erneut
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