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164 - Der vielarmige Tod

164 - Der vielarmige Tod

Titel: 164 - Der vielarmige Tod
Autoren: Ronald M. Hahn
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hierher gekommen war. Sie trug kaum etwas am Leib. Wo waren ihre Sachen?
    Sie hob den Kopf und entdeckte ihre Kleidung auf dem Boden. Warum war es so dunkel? Aruula setzte sich vorsichtig auf. Da war ein Fenster, ohne Scheiben. In diesem Land brauchte man keine; hier war es warm. Irgendwo knarrte etwas.
    Dann vernahm sie das Rauschen des Regens. Ihr fiel ein, dass er nach Sonnenuntergang angefangen hatte.
    Sie war in einem Pfahlbau. Durch die Fenster wehte ein schwüler Wind. Und das Knarren kam von den Palmen, die sich draußen wiegten.
    Aruula schob die Beine über den Bettrand, beugte sich vor und nahm ihre Sachen an sich. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es wichtig war, wach und bekleidet zu sein.
    Wo war Kapitän Pofski? Und wo war ihr Schwert?
    Lautlos und benebelt schlüpfte sie in ihr Zeug. Dann musterte sie die schlafende Indiira, setzte sich hin und stützte den Kopf auf beide Hände. Sie schloss die Augen und versuchte die Benommenheit zu verdrängen.
    Jetzt zweifelte sie nicht mehr daran, Deliirums Fluch anheim gefallen zu sein. Deliirum war einer der Hilfsgötter aus Wudans Heer und Schutzpatron der Brau- und Branntmeister, und man bat mit Vorliebe am Morgen nach einem Zechgelage um Beistand.
    Endlich brachte sie etwas Klarheit in ihre schwerfälligen Gedanken – und spürte im gleichen Moment die Gefahr! Ihre mentalen Sinne sprachen an: Etwas, das Böses im Sinn hatte, näherte sich ihr!
    Aruula riss die Augen auf. Im gleichen Moment wurde ihr bewusst, woher die Gefahr kam: Vom Fenster her flog ein Schatten auf sie zu. Er wirkte wie ein großer Vogel. Aber es war kein Vogel. Es war ein Mensch.
    Aruula rutschte reaktionsschnell von der Matratze hinunter auf den Holzboden. Der Angreifer landete halb auf der Matratze. Sein linkes Bein traf Indiira, die hoch schreckte und die Augen aufriss. Sie kam aber nicht dazu, einen Schrei auszustoßen, denn im gleichen Moment war ein zweiter Vermummter hinter ihr, schlang einen Arm um ihren Hals und brach ihr das Genick.
    Krack! Das Geräusch war abscheulich. Das Schlimmste war der überraschte Blick, den Indiira Aruula im Augenblick ihres Todes zuwarf.
    Dann konnte sich Aruula keinen weiteren Gedanken an ihre Bettgenossin mehr leisten: Die Gestalt, die sich auf sie hatte stürzen wollen, rappelte sich auf und schwenkte etwas, das wie ein Handtuch aussah. Es verbreitete einen Geruch, der sie schon aus der Ferne halb betäubte.
    Der Mörder ließ Indiiras Leichnam so vorsichtig auf die Matratze gleiten, dass Aruula eins begriff: Er wollte Lärm vermeiden.
    Diesen Plan würde sie ihm verderben.
    Mit einem Kampfschrei riss sie ihr rechtes Bein hoch, traf eine Bodenvase und warf sie um. Es schepperte laut. Der Mörder grunzte und zückte eine Würgeschlinge. Der andere Bursche holte mit dem Handtuch aus. Aruula duckte sich. Das Ding fegte über sie hinweg. Sie spürte, dass es klatschnass war, vermutlich mit einem flüssigen Betäubungsmittel versetzt.
    Draußen wurden Rufe laut. Laternen blitzten. Gestalten liefen durch den Regen. Natürlich konnte im Dunkeln niemand sofort erkennen, aus welchem Haus die Kampfgeräusche kamen.
    Aruula wich zurück, warf eine zweite Vase um, stolperte über einen Hocker und strauchelte. Sie landete auf dem Rücken, rollte herum und hörte aufgeregte Männerstimmen.
    Eine unbekannte Sprache. Vermutlich fragten sich die Banditen, wo sie geblieben war. Sie zog den Kopf ein und robbte in Richtung Ausgang.
    Hatte Indiira keine Waffen im Haus, wenn schon ihr eigenes Schwert unverzeihlicher Weise außer Reichweite war? Wo blieb Kapitän Pofski? Wo waren die anderen Frauen? Was trieben die männlichen Gäste?
    Im gleichen Moment riss draußen eine Wolke auf. Der Mond schien hell durchs Fenster. Natürlich entdeckten Indiiras Mörder sie sofort. Aruula sprang auf die Beine und nahm eine Abwehrhaltung ein. »Wehe, ihr fasst mich an«, fauchte sie, als die beiden Gestalten langsam auf sie zukamen.
    Draußen krachten Stiefel gegen die Tür.
    Einer der Vermummten fuhr herum und schnauzte seinem Gefährten etwas zu.
    Schon flog die Tür auf. Kapitän Pofski stand mit einem langen Rohr im Rahmen, in dem nicht nur Aruula einen antiken Schießprügel zu erkennen glaubte. Auch die Banditen kamen zu dieser Erkenntnis und sprangen aus dem Fenster.
    Aruula hechtete zu der Öffnung und sah sie mit wehenden Umhängen auf dem Hof. Sie rannten durch das Tor und tauchten im Wald unter.
    Hinter dem Russen drängten sich mehrere Frauen ins Haus.
    Als sie die
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