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1603 - Der Geistertänzer

1603 - Der Geistertänzer

Titel: 1603 - Der Geistertänzer
Autoren: Jason Dark
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deinen Körper vor mir. Ich sehe dich so, wie ich dich gekannt habe. Nur deine Augen sind anders. Sie leuchten so gelb.«
    »Das muss so sein.«
    »Und warum?«
    »Frag nicht, komm einfach.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Was soll ich?«
    »Herkommen.«
    »Und dann?«
    »Werden wir tanzen, meine Liebe. Ja, wir werden das tun, was wir am besten können. Tanzen für die Ewigkeit…«
    Der ist verrückt. Der ist wahnsinnig. Der ist durchgeknallt. All das schoss ihr durch den Kopf, als sie die Worte hörte. Sie konnte keine Antwort geben. Was der tote Julius von ihr verlangte, das war einfach unmöglich.
    So etwas konnte es nicht geben.
    »Nun komm schon her!«
    Isabel spürte einen eisigen Schauer auf ihrer nackten Schulter. »Du meinst, ich soll wirklich mit dir tanzen?«
    »Ja, das möchte ich so.«
    »Aber wie soll ich mit dir tanzen, wenn ich doch weiß, dass du nicht mehr am Leben bist?«
    Er blieb weiterhin gelassen und sagte mit leiser Stimme: »Kann es nicht sein, dass es nicht nur ein Leben gibt? Sondern ein weiteres? Ein Leben nach dem Leben?«
    »Ja, das sagt die Kirche. Aber niemand weiß, wie es aussieht. Da existiert doch nur noch die Seele.«
    »Ja, so sagt man. Aber es gibt so viele Zwischenräume. Und jetzt zier dich nicht länger. Ich bin extra zu dir gekommen, weil ich es allein nicht mehr aushielt.«
    Die Worte hatten beinahe wie eine Bitte geklungen.
    Obwohl sie davon nicht überzeugt war, gab sich Isabel einen Ruck und ging auf den Mann zu, der eigentlich hätte tot sein müssen. Sie streckte ihm sogar die Arme entgegen. Ihre langen braunen Haare fielen dabei über die nackten Schultern. Und dann hatte sie den Eindruck, von Geisterfingern berührt zu werden.
    Dicht vor ihm hielt sie an und schaute dabei in seine hellen Augen. Erst jetzt fiel ihr so richtig auf, dass der Körper des Tänzers keine normale Farbe aufwies. Er hob sich als bläulicher Schatten vor dem dunklen Hintergrund ab.
    »Dreh dich um.«
    »Warum?«
    »Bitte.«
    Isabel hatte ein ungutes Gefühl, wenn sie diesem Besucher den Rücken zudrehte. Obwohl sie ihn gut kannte, war er ihr doch fremd, und so tat sie ihm zwar den Gefallen, aber ihr Herz klopfte dabei schneller und sorgte für ein Ansteigen ihrer Furcht.
    Julius trat einen Schritt zur Seite. Er war größer als sie und blickte lächelnd auf sie hinab. Unwillkürlich hatten beide eine Tanzhaltung eingenommen, die ihnen in Fleisch und Blut übergegangen war. Isabel spreizte ihre Arme ab und drängte den linken ihrem Partner entgegen.
    Er umfasste ihre Hand.
    Isabel zuckte zusammen. Sie kannte ja alles, es war zwischen ihnen oft genug geprobt worden. Bisher hatte ihr der Griff immer einen gewissen Halt gegeben. Jetzt war er ihr fremd. Diese Hand schien eine fremde zu sein, denn es gab keine Wärme mehr in ihr. Sie fühlte sich so schrecklich kalt an.
    Isabel legte den Kopf zurück.
    Julius lächelte sie an. »Und jetzt«, flüsterte er, »werden wir beide wunderbar tanzen…«
    ***
    Ich tanze mit einem Toten!, schoss es Isabel durch den Kopf. Das kann doch nicht wahr sein!
    Es stimmte. Sie stand nicht mehr still. Sie wurde mit einer wundersamen Drehung um die eigene Achse gewirbelt. Sie konnte nicht anders, sie passte sich den Bewegungen des führenden Tänzers an.
    Sie tat es gern. Jeder Schwung schien den Gedanken an den Tod des Mannes mehr verblassen zu lassen. Plötzlich gab sie sich ganz und gar freiwillig hin. Es war so herrlich. Isabel hatte das Gefühl, auf den berühmten Wolken zu schweben und in den Himmel hineinzutauchen.
    Das Wunder der Bewegung hielt sie umfasst, und sie wurde von jemandem geführt, der sich in der kleinen Küche bewegte, als befände er sich auf einer Bühne. Das war das nächste Phänomen, das sie erlebte, und bereits nach wenigen Sekunden fühlte sich Isabel so frei und sicher.
    Es war verrückt und nicht zu begreifen. Isabel konnte sich nicht daran erinnern, jemals so wunderbar getanzt zu haben. Das war auch kein normales Tanzen mehr. Sie sah es als Schweben an, und es schien keine Schwerkraft mehr zu geben.
    Ihr Partner führte sie perfekt. Er gab ihr das Gefühl einer grenzenlosen Sicherheit. Da konnte nichts mehr schiefgehen. Wer so gelenkt und getragen wurde, der kannte nur den Weg in ein wundersames Glück, das am Ende des Tanzes stand.
    Wo war die Küche? Wo das Schlafzimmer? Wo der kleine Flur?
    Alles schien sich aufgelöst zu haben. Die Natur schien nur Julius zu gehorchen, der alles unter seiner Kontrolle hatte und dafür sorgte, dass
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